Gaslighting in Beziehungen - Bedeutung & Beispiele

fachlich geprüft von Elena Cathrin Knie (Psychologin)

Auch hierzulande tritt der Begriff “Gaslighting” immer mehr in die Öffentlichkeit, vor allem in Verbindung mit Paarbeziehungen. Aber was ist eigentlich Gaslighting? Woher stammt der Begriff? Und wie merkt man, dass man selbst von Gaslighting betroffen ist? Diesen und anderen Fragen gehen wir in diesem Blog-Artikel auf den Grund.


Lesezeit: 15 Min


Was ist Gaslighting?

Beim Gaslighting manipuliert eine Person gezielt die Realitäts- und Selbstwahrnehmung einer anderen Person über einen längeren Zeitraum, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Eine Person, die Gaslighting betreibt (ein sogenannter “Gaslighter”) handelt also bewusst (= mit einem Ziel), fortwährend (= über längeren Zeitraum) und mittels psychischer Gewalt (= zum Schaden anderer). Damit unterscheidet sich Gaslighting z.B. vom Lügen, welches zwar bewusst passiert, aber oft nicht über einen längeren Zeitraum und auch nicht immer zum Schaden anderer (z.B. Lügen als Selbstschutz).

Die Manipulation beim Gaslighting findet auf verschiedene Arten und Weisen statt. Oft werden bei ihr Wahrheiten verdreht, erfunden oder verleugnet. Dies kann innerhalb der Kommunikation stattfinden (z.B. “Du hast doch gesagt, dass…”), aber auch durch Manipulation von Dingen (z.B. durch Verstecken von Gegenständen).

Grundvoraussetzung für das Gaslighting ist, dass zwischen beiden Personen ein Vertrauensverhältnis (z.B. eine Partnerschaft) vorliegt, damit die Person, die manipuliert wird, auch diese Manipulationen glaubt.

Gaslighter verfolgen mit ihrem Gaslighting immer ein bestimmtes Ziel - manchmal auch unbewusst. Ziele des Gaslightings können z.B. sein:

  1. Kontrolle und Macht: Eine Person könnte Gaslighting anwenden, um Macht und Kontrolle über eine andere Person zu erlangen oder zu behalten. Indem sie das Opfer verwirrt und an sich selbst zweifeln lässt, kann der Täter das Opfer leichter manipulieren und beherrschen.

  2. Selbstschutz: In einigen Fällen verwenden Menschen Gaslighting, um sich vor Konsequenzen ihrer eigenen Handlungen zu schützen. Indem sie die Realität verzerren, versuchen sie, sich selbst in einem besseren Licht darzustellen und Verantwortung zu vermeiden.

  3. Projektion eigener Unsicherheiten: Personen, die Gaslighting betreiben, projizieren möglicherweise ihre eigenen Unsicherheiten und Schwächen auf andere. Indem sie andere kleinmachen und deren Realitätssinn infrage stellen, versuchen sie, sich selbst besser zu fühlen oder von ihren eigenen Problemen abzulenken.

  4. Erfahrung und Lernen: Manchmal lernen Menschen diese Verhaltensmuster durch ihre eigenen Erfahrungen, etwa in ihrer Familie oder in früheren Beziehungen. Sie ahmen möglicherweise bewusst oder unbewusst Verhaltensweisen nach, die sie selbst erlebt haben.

  5. Mangel an Empathie oder Verständnis: Einige Personen verstehen möglicherweise nicht die Auswirkungen ihrer Handlungen auf andere oder haben eine eingeschränkte Fähigkeit zur Empathie. Sie erkennen nicht, wie schädlich ihr Verhalten sein kann, oder ihnen fehlt das Interesse am Wohlergehen anderer.

  6. Machtungleichgewicht ausnutzen: In einigen Fällen kann Gaslighting in Beziehungen vorkommen, in denen bereits ein Machtungleichgewicht besteht. Der Täter nutzt seine überlegene Position aus, um das Opfer zu manipulieren und zu kontrollieren.

Wichtig zu verstehen ist, dass Gaslighting eine Form der psychischen Gewalt ist. Wie auch bei anderen Formen von Gewalt gilt: Vor Gewalt ist niemand geschützt. Gaslighting kann also jedem passieren und ist daher kein Zeichen von Schwäche. Opfer von Gaslighting vertrauen ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr und entwickeln oft psychische Erkrankungen, wie z.B. generalisierte Angststörungen oder Depressionen.

Gaslighting in Beziehungen: Anzeichen & Beispiele

Besonders in Beziehungen kann es zum Gaslighting kommen. Es besteht ein enges Vertrauensverhältnis zwischen beiden Personen und eine Manipulation ist über einen längeren Zeitraum (meist unbeobachtet durch Dritte) möglich. Gaslighting ist immer eine Manipulation über einen längeren Zeitraum. Wenn eine Person mal eine manipulative Strategie einsetzt, ist dies noch kein Gaslighting

Gaslighting ist, da es verdeckt und manipulativ geschieht, nur schwer zu entdecken (im Gegensatz zu anderer psychischer Gewalt, wie z.B. emotionaler Erpressung) und oft erkennen die Opfer es erst sehr spät. Daher ist es wichtig auf bestimmte Gaslighting-Anzeichen zu achten.

  • Häufiges Abstreiten oder Leugnen von eigenen Aussagen: Eine Form des Gaslighting ist, dass der Gaslightner eigene Aussagen abstreitet. Natürlich kann es auch in einer gesunden Beziehung dazu kommen, dass Aussagen abgestritten werden (oft auch, weil man sich selbst tatsächlich anders erinnert). Der Unterschied beim Gaslighting ist, dass hier das Ziel verfolgt wird, die Realitätswahrnehmung des Opfers systematisch zu untergraben. Typische Sätze sind: “Das habe ich so nie gesagt, das denkst du dir aus.” oder “Du mit Deiner übertriebenen Phantasie…als würde ich jemals so etwas sagen”. Es geht also weniger um die Aussagen als solches, sondern darum das Opfer generell zu verunsichern.

  • Vergangene Ereignisse werden bestritten oder verdreht: Gaslighter stellen vergangene Ereignisse anders dar und verklären sie. Beispiele können hier Sätze sein wie: “Nein, so war das nicht. Das bringst du wieder durcheinander” oder “Das bildest du dir ein - der Postbote war nicht hier.” Kennzeichnend ist dabei oft, dass das Opfer nicht die Möglichkeit hat die Ereignisse noch einmal nachzuprüfen, indem z.B. ein:e Freund:in angerufen werden kann. Auch ist typisch, dass dem Opfer dabei Schuldgefühle vermittelt werden (“wieder durcheinander” oder “bildest Du dir ein”). So wird nach und nach eine Art Zweifel an der Realität bei dem Opfer erzeugt.

  • Versuche der sozialen Isolierung des Opfers: Gaslighter versuchen ihre Opfer oft sozial zu isolieren mit dem Ziel, dass ihre Opfer weniger Möglichkeiten haben sich selbst rückzuversichern. Damit haben die Gaslighter mehr Spielraum für ihre Manipulationen. Typische Beispiele sind hier: “Deine Freundin Sandra ist nicht gut für dich. Sie ist nur deine Freundin, weil sie sich dich ausnutzen will” oder “Maike hat mir letztens gesagt, dass Thomas über dich hergezogen hat.”
    Meist beginnen Gaslighter erst im entfernten Freundeskreis zu isolieren und trauen sich dann schrittweise an die engeren Freund:innen heran.

  • Gefühle absprechen oder umdeuten: Hier wird versucht dem Opfer, die Deutungshoheit über die eigenen Gefühle zu nehmen. Gefühle können besonders leicht manipuliert werden, da sie nicht objektiv nachgeprüft werden können und wir Menschen manchmal kein klares Bild von unserer eigenen Gefühlswelt haben. Anzeichen für Gaslighting können hier Sätze sein wie: “Warum bist du schon wieder so ängstlich?” oder “Du bist doch gar nicht wütend auf mich, sondern nur von dir selbst enttäuscht.”

  • Systematisches Abwerten und “klein machen”: Eine oft angewandte Strategie ist die des Abwertens, denn Menschen mit wenig Selbstvertrauen, lassen sich leichter manipulieren. Typische Sätze, die in diesem Zusammenhang fallen sind: “Das kannst du doch eh nicht, lass mich das mal lieber machen.” oder “Letztens hast du das ja schon falsch gemacht, dann geht das hier erst recht schief.” Oft wird in durch diese Sätze auch ein Abhängigkeitsverhältnis zum Gaslighter aufgebaut, der dieses nutzt, um mehr Kontrolle auszuüben.

  • Vorgeschobene Sorgen oder “Der Wolf im Schafspelz”: Häufig werden beim Gaslighting auch Sorgen vorgeschoben. Gaslighter geben damit ihren Opfern ein falsches Gefühl der Geborgenheit, ein Gefühl des “ich will doch nur dein Bestes”. Sie nutzen dieses Gefühl aus, um in dessen Schutz die Unsicherheit des Opfers zu verstärken. Häufige Formulierungen sind hier: “Geht es dir nicht gut? In letzter Zeit wirkst du so durcheinander.” oder “Ich mache mir Sorgen um dich, denn in letzter Zeit bist du immer so ängstlich.”

  • Anzeichen, die man bei sich selbst spürt: Oft kann man auch Anzeichen bei sich selber bemerken, die darauf schließen lassen, dass man Opfer von Gaslighting ist. Typische Empfindungen, Gedanken oder Verhalten können hier bei einem selber sein:

    • Häufiges Entschuldigen bei seine:m Partner:in (oder auch anderen Personen) - ohne zu wissen, was man falsch gemacht hat

    • Zurückhaltendes Verhalten in Gesprächen aus Angst (wieder einmal) Missverstanden zu werden

    • Man rechtfertigt das Verhalten des Partners oder Partnerin vor anderen oder findet für sich selbst Ausreden (“Er/ Sie ist gerade einfach in einer stressigen Phase”)

Wie kann ich mich gegen Gaslighting wehren?

Um sich gegen Gaslighting zu wehren, gibt es verschiedene Ansätze und Methoden. Wenn du hierbei Unterstützung brauchst, kannst du dich gerne an uns oder andere Stellen wenden.

Noch ein Hinweis: Wenn man für sich erkannt hat, dass man “gegaslighted” wird, kann es unter Umständen sinnvoll sein sich an eine Therapeut:in zu wenden, um abzuklären, ob man durch das Gaslighting bereits eine psychische Erkrankung davon getragen hat. Dies muss nicht der Fall sein, aber es ist, wie oben bereits erwähnt, möglich Angststörungen, Depressionen oder eine andere psychische Erkrankung durch Gaslighting zu entwickeln.

Self-Care: Ressourcen nutzen & Netzwerk (re-)aktivieren

Im ersten Schritt geht es darum Abstand zu nehmen und seine eigenen Ressourcen wieder zu aktivieren, um sich so zu stärken. Mache Dinge, die nur für dich sind und nehme dir bewusst Auszeiten. Wenn du gerne in der Natur bist, gehe z.B. im Wald spazieren. Mache es zu einem festen Ritual und halte daran fest. Dies schafft zusätzliche Sicherheit.

Aktiviere gleichzeitig deine alten Freundschaften. Oft ist dies gar nicht so einfach, da man im Zuge des Gaslightings sich zunehmend isoliert hat, aber vielleicht fallen dir Freunde ein, zu denen du noch einen guten Zugang hast. Vielleicht hast du auch Familie, an die du wenden kannst, oder du versuchst bewusst neue Freundschaften zu knüpfen.

Wenn möglich: Versuche diese Freunde auch aktiv in dein Leben mit deine:m Partner:in einzubinden, indem du sie z.B. zu dir nach Hause einlädst.

Realitäts- und Selbstwahrnehmung: Die eigene Realität absichern

Gaslighter versuchen die Realitäts- und Selbstwahrnehmung ihrer Opfer zu zerstören. Versuche sie daher wieder schrittweise für dich aufzubauen und sicher deine eigene Realität ab.

Schreibe dir dazu Notizen nach wichtigen Gesprächen mit deine:r Partner:in. Dies gibt dir die Möglichkeit Dinge für dich nachzuvollziehen. Diese Notizen sind eher für dich gedacht, als dass sie als “Beweise” gegen den Gaslighter angeführt werden. Sie sollen dir wieder Sicherheit in deine eigene Wahrnehmung geben und dich bestärken.

Führe zudem ein Tagebuch, in dem du auch deine eigenen Emotionen notierst. So erhältst du wieder einen besseren Zugang zu deinen eigenen Gefühlen und bist weniger durch deine:n Partner:in beeinflussbar. Anfangs wird es dir schwer fallen deine eigenen Emotionen von denen zu unterscheiden, die dir eingeredet wurden, aber mit der Zeit wird es dir immer besser gelingen.

Umgang mit dem Gaslighter: Den Gaslighter ins Leere laufen lassen

Eine der wichtigsten Grundregeln im Umgang mit Gaslighting lautet: Wenn möglich, nicht drauf einlassen. Versuche nicht den Gaslighter zu besiegen und in den direkten Konflikt zu gehen, sondern lass ihn ins Leere laufen. Sage Sätze wie “Wir scheinen die Dinge unterschiedlich zu erinnern” oder “Ich habe deine Sicht verstanden, aber so habe ich es nicht erlebt.”

Du hast auch jederzeit das Recht eine Diskussion einfach zu beenden. Sage dann: “Ich steige aus diesem Gespräch aus und möchte mich daran nicht mehr beteiligen.” Dabei kannst du den Raum verlassen oder sogar das Haus oder die Wohnung. Dies kann den notwendigen Abstand bringen, den du eventuell brauchst.

Beziehungsebene: Die Beziehung hinterfragen und möglicherweise beenden

Wenn du sicher bist, dass es sich um Gaslighting handelt und sich die Situation nicht verbessert, gibt es selbstverständlich auch die Möglichkeit, die Beziehung zu beenden. Denk immer daran, dass Gaslighting eine Form der psychischen Gewalt ist und daher auf keinen Fall zu verharmlosen ist! Deine psychische Gesundheit kann durch Gaslighting massiv schaden nehmen und es ist wichtig, dass du dich und eventuell auch deine Familie vor Gaslighting schützt.

Das Beziehungsende erscheint vielen Opfern des Gaslightings als letzter Ausweg, vor allem dann, wenn durch das Gaslighting bereits eine große Abhängigkeit zwischen Opfer und Täter:in besteht. Und oft kann dieser Schritt auch der richtige Ausweg sein, um sich aus dem Kreis von Selbstzweifeln und Gaslighting endgültig zu befreien.


Als psychologische Mentorinnen stehen wir dir über unsere App AllyTime auch persönlich zur Seite.


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