Niedrige Frustrationstoleranz bei Kindern: Wege zu mehr Gelassenheit

fachlich geprüft von Imke Wormeck-van de Biezen (Psychologin)

Frustrationstoleranz ist eine entscheidende Fähigkeit, die Kinder im Laufe ihrer Entwicklung erlernen. Sie hilft ihnen, mit Herausforderungen und Enttäuschungen umzugehen. Während es für junge Kinder ganz natürlich ist, Schwierigkeiten im Umgang mit ihren Gefühlen zu haben, bildet sich diese Fähigkeit allmählich im Laufe der Kindheit und Jugend heraus. In diesem Artikel erforschen wir, was genau Frustrationstoleranz ist, wie sie sich bei Kindern manifestiert und bieten praktische Ansätze, um ihre Entwicklung zu unterstützen.

Kind setzt Legoteile zusammen

Lesezeit: 5 min


Was ist Frustrationstoleranz?

Frustrationstoleranz beschreibt die individuelle Fähigkeit eines eines Menschen, mit Frustration, Enttäuschung und Misserfolg umzugehen, ohne sich dabei übermäßig verärgert zu fühlen. Diese Kompetenz entwickelt sich erst langsam. Während Babies und Kleinkinder noch nicht in der Lage sind, ihre Emotionen selbst zu regulieren, entwickelt sich die Kompetenz zur Frustrationstoleranz mit entsprechender Unterstützung durch Eltern und andere Bezugspersonen im Laufe der Kindheit immer weiter.

Einfluss der Elternschaft auf die Frustrationstoleranz

Eine Studie der American Psychological Association zeigt, dass überkontrollierende Elternschaft, oft als "Helicopter Parenting" bezeichnet, die emotionale und verhaltensbezogene Regulation von Kindern negativ beeinflussen kann. Beispiele für Helicopter Parenting umfassen:

  • Ständiges Eingreifen bei Hausaufgaben, anstatt dem Kind zu erlauben, eigenständig Probleme zu lösen.

  • Übermäßige Organisation des Tagesablaufs des Kindes, ohne ihm freie Spielzeiten zu gewähren.

  • Keine Gelegenheit geben, Konflikte mit Gleichaltrigen selbstständig zu bewältigen.

Diese Form der Elternschaft kann dazu führen, dass Kinder Schwierigkeiten haben, mit ihren starken Gefühlen umzugehen, was wiederum Probleme in der Schule, Herausforderungen beim Knüpfen von Freundschaften und emotionale Probleme zur Folge haben kann. Kinder, die ständig überwacht und gelenkt werden, entwickeln möglicherweise nicht die notwendigen Fähigkeiten, um selbstständig Herausforderungen zu meistern und ihre Emotionen effektiv zu regulieren.

Merkmale niedriger Frustrationstoleranz bei Kindern

Kinder mit niedriger Frustrationstoleranz zeigen oft deutliche Anzeichen von Verärgerung bei alltäglichen Herausforderungen. Zum Beispiel kann ein Kind, das nicht den gewünschten Teller bekommt, weil dieser in der Spülmaschine ist, intensiv reagieren – vielleicht mit einem heftigen Wutausbruch, der länger anhält und in dem es sich oder anderen versehentlich wehtut. Im Gegensatz dazu könnte ein Kind mit höherer Frustrationstoleranz zwar kurz weinen oder enttäuscht sein, aber sich nach einigen Minuten beruhigen lassen und akzeptieren, dass es beim nächsten Mal den gewünschten Teller bekommen kann.

 

Es ist wichtig zu verstehen, dass der Ausdruck von Frustration an sich nicht falsch oder problematisch ist.

Wenn ein Kind weint, weil etwas nicht klappt, oder wütend wird, weil es bei einem Spiel verliert, ist das ein normaler Teil seiner emotionalen Entwicklung. Diese Gefühle sind natürlich und notwendig, um zu lernen, dass alle Emotionen ihren Platz haben und wie man angemessen mit ihnen umgeht. Was niedrige Frustrationstoleranz auszeichnet, ist die Intensität und Dauer der Reaktion auf Frustration, die über das hinausgeht, was in der jeweiligen Situation als angemessen betrachtet werden könnte.

 

Wie können Eltern helfen? Praktische Ansätze zur Förderung einer niedrigen Frustrationstoleranz

Ausgewogenheit zwischen Anleitung und Selbstständigkeit:

  • Es kann hilfreich sein, dein Kind zu ermutigen, eigene Entscheidungen zu treffen, beispielsweise bei der Auswahl seiner Kleidung oder Spiele.

  • Biete deine Unterstützung bei schwierigen Aufgaben an, und versuche, eine Balance zu finden, ohne die Aufgaben komplett zu übernehmen.

Emotionale Intelligenz fördern:

  • Gespräche über Gefühle können sehr aufschlussreich sein. Versuche, die Emotionen deines Kindes zu erkennen und hilf ihm, sie zu benennen.

  • Das Erkennen und Benennen von Emotionen kann auch spielerisch durch Bücher oder Bilder gefördert werden.

Umgang mit Frustration üben:

  • Es ist hilfreich, dein Kind mit realistischen Herausforderungen zu konfrontieren, die es bewältigen kann, um seine Fähigkeiten zu stärken. Zum Beispiel: Wenn sich dein Kind morgens für die Kita oder Schule anzieht, ermutige es, dies soweit wie möglich selbstständig zu tun. Biete an, bei den schwierigeren Schritten zu helfen, wie zum Beispiel beim Schließen von Knöpfen oder Reißverschlüssen.

  • Zeige ihm, wie es sich durch tiefes Atmen oder kurze Pausen selbst beruhigen kann.

Positive Verstärkung:

  • Anerkenne und lobe die Anstrengungen deines Kindes, unabhängig vom Endergebnis. Dies kann das Selbstwertgefühl stärken und die Motivation fördern.

  • Ein Sticker-Chart ist ein motivierendes Belohnungssystem. Bei jeder gemeisterten Herausforderung erhält das Kind einen Aufkleber. Eine gewisse Anzahl an Stickern kann gegen eine kleine Belohnung oder ein Privileg eingetauscht werden, z.B. eine zusätzliche Vorlesegeschichte, wodurch das Kind lernt, dass Ausdauer und das Überwinden von Schwierigkeiten anerkannt und belohnt werden.

Fazit

Die Ausbildung einer angemessenen Frustrationstoleranz ist ein wesentlicher Aspekt der emotionalen Entwicklung von Kindern. Eltern spielen eine Schlüsselrolle, indem sie Verständnis zeigen, Unterstützung bieten und wirksame Strategien vermitteln. Sie können ihren Kindern helfen, besser mit Enttäuschungen umzugehen und so zu widerstandsfähigeren Persönlichkeiten heranzuwachsen. Ein ausgewogenes Maß an elterlicher Führung einerseits und der Förderung der kindlichen Autonomie andererseits kann entscheidend sein, um Kindern die notwendigen Fähigkeiten zur Emotions- und Verhaltensregulation zu vermitteln.


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