Aktives Zuhören: Ein Schlüssel zur besseren Kommunikation innerhalb der Familie

Für Eltern ist es oft nicht einfach aus ihren Kindern etwas rauszubekommen. „Wie war es in der Schule?”- „Gut.” , „Was ist heute im Verein passiert?”- „Nichts.”, „Wie geht es dir?”- „Weiß´nicht.”. Besonders in der Pubertät wird die Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern oft zum Reizthema. Jugendliche grenzen sich natürlicherweise von ihren Eltern ab und sind allergisch auf Nachfragen dieser.

Nichtsdestotrotz ist die Pubertät häufig eine Zeit, in der sich viele Jugendliche alleine fühlen und mit ihren Sorgen, wie Selbstwertproblemen, Depressionen oder Schulangst nicht allein fertig werden. Das ständige Nachbohren durch Eltern ist da meist kontraproduktiv, auch wenn es sehr verständlich ist: Eltern machen sich Sorgen um ihre Kinder, fühlen sich selbst oft hilflos und versuchen, die Situation zu greifen und Lösungen zu finden. Was können also Eltern tun, um ihre Kinder einzuladen, mit ihnen wieder mehr zu sprechen? Und schon mal vorab: Oft ist weniger mehr!


Lesezeit: 10 Min


Aktives Zuhören für die Eltern-Kind-Kommunikation

Eine Technik, die Wunder wirken kann, ist das aktive Zuhören.

Diese Methode kommt unscheinbar daher, hat aber ungeahnte Kraft. Sie wurde ursprünglich von Carl Rogers, einem der einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts, entwickelt. Carl Rogers betonte die Bedeutung des aktiven Zuhörens in der therapeutischen Kommunikation vor allem durch die Förderung von Empathie und Verständnis. Dies fördert eine tiefe emotionale Verbindung zwischen Therapeut und Klient und die therapeutische Beziehung wird gestärkt. Klienten werden zur Selbstreflexion angeregt und dabei unterstützt, eigene Lösungen für ihre Probleme zu entwickeln.

Die Prinzipien des aktiven Zuhörens können auch in der Eltern-Kind-Kommunikation neue Wege öffnen.

Was ist aktives Zuhören?

Aktives Zuhören bedeutet, dass Eltern ihre Aufmerksamkeit voll und ganz auf ihr Kind richten und ein echtes Interesse an den Gedanken und Gefühlen ihres Kindes haben.

Es geht darum, dem Kind in seinen Gedanken zu folgen und nachzuempfinden, was ihr Kind fühlt. Das bedeutet auch, dass eigene Gefühle ein Stück in den Hintergrund treten müssen. Diese Art des Zuhörens hilft dem Kind, sich verstanden und wichtig zu fühlen, was wiederum dazu beiträgt, dass es sich öffnen mag, weil es sich gut anfühlt, es entsteht ein sich selbst verstärkender Kreislauf.

Die Technik des aktiven Zuhörens umsetzen: Eine Anleitung für Eltern

  1. Volle Aufmerksamkeit: Achtet darauf, dass ihr eurem Kind eure ungeteilte Aufmerksamkeit widmen könnt. Das zeigt, dass euch das, was es zu sagen hat, wirklich wichtig ist. Nicht jeder Zeitpunkt ist geeignet. Schaut, ob die Situation geeignet ist und ihr in der richtigen Verfassung seid.

  2. Augenkontakt und Zugewandheit: Drückt euer Interesse und Verbindung mit eurem Kind auch körperlich aus, indem ihr es anschaut und eure Körperhaltung offen und zugewandt ist.

  3. Ausreden lassen: Wenn euer Kind spricht, unterbrecht es nicht. Wartet ab. Lasst es ausreden, auch wenn ihr das Bedürfnis verspürt, sofort zu antworten oder zu beraten. Unterbrechungen können das Gefühl vermitteln, nicht vollständig verstanden und wertgeschätzt zu werden. Dann zieht sich euer Kind evtl. wieder zurück.

  4. Gefühle spiegeln: Versucht, die Gefühle, die in den Schilderungen eures Kindes beschrieben werden, zu identifizieren und diese zurückzuspiegeln. Sätze wie „Es klingt, als fühlst du dich wirklich gestresst wegen dieser Prüfung“ können helfen, Emotionen zu validieren. Achtet aber unbedingt darauf, dass ihr diese Sätze als Vermutungen formuliert und nicht als Tatsachen. Euer Kind muss die Möglichkeit haben, in sich nachzuspüren, ob ihr richtig liegt.

  5. Offene Fragen oder keine Fragen: Fragen wie „Wie hast du dich dabei gefühlt?“ oder „Was denkst du darüber?“, können euer Kind ermutigen, mehr über seine Gedanken und Gefühle zu sprechen. Manchmal braucht es aber nur ein interessiertes „Aha?” oder „Hm?”, um euer Kind zum Weitersprechen zu animieren.

  6. Zusammenfassen und Nachfragen: Um sicherzustellen, dass ihr euer Kind richtig verstanden habt, fasst das Gesagte in euren Worten zusammen und fragt, ob eure Zusammenfassung richtig ist. Dies zeigt, dass ihr wirklich zugehört habt und ehrlich verstehen wollt. Dies lädt euer Kind ein, weiter über sich zu sprechen.

  7. Anerkennung geben: Es ist wichtig, die Erlebnisse und Meinungen eures Kindes anzuerkennen. Sagt beispielsweise „Ich finde es toll, dass du das so gut beobachtet hast“ oder „Deine Meinung kann ich gut nachvollziehen.“ Das stärkt das Selbstwertgefühl eures Kindes und fördert sein Vertrauen in die eigene Urteilskraft und in die eigenen Problemlösestrategien.

Und wie geht es dann weiter? Hilfe zur Selbsthilfe durch aktives Zuhören

Ja, als Eltern möchte man seinem Kind schnell helfen und oft hat man schon einen gut Ratschlag im Hinterkopf. Wenn das Kind aber gerade dabei ist, von seinen Sorgen und Problemen, oder einfach von seinem Tag zu erzählen, ist es meist am besten, weiterhin aktiv zuzuhören und sich mit schnellen Lösungen zurückzuhalten, zumindest erst einmal.

Eltern können ihr Kind fragen, wie es über die Situation denkt und ob ihm Lösungen einfallen. Fragen wie „Was denkst du, was könnte man tun?“ oder „Welche Ideen fallen dir ein, wie man jetzt reagieren könnte?“ helfen Kindern, eigene Lösungsansätze zu entwickeln. Zudem können Eltern ihre Bereitschaft zum Helfen zeigen, ohne dass sie das Problem für ihr Kind lösen. Sie können sagen: „Wenn du Hilfe brauchst, um einen Plan zu machen, bin ich hier.“ Das gibt Sicherheit, aber gleichzeitig bleiben die Kinder in ihrer Verantwortung.

Wenn das Kind Schwierigkeiten hat, eigene Lösungen zu finden, wenn seine Lösungen nicht tragbar sind oder wenn es um Probleme geht, die ein schnelles Handeln nötig machen, könnten Eltern zunächst eigene Vorschläge einbringen, wie zum Beispiel: „Manche Leute finden es hilfreich, zu… Was hältst du davon?“. Sollte das Kind nicht erreichbar sein oder weiter in eine destruktive Problembewältigung gehen, müssen Eltern mehr begrenzen und sich und ihrem Kind gegebenenfalls weitere Hilfe holen.

Aktives Zuhören und Pubertät: Warum in dieser Phase so nützlich?

Gerade in der Pubertät, einer Zeit des intensiven emotionalen und sozialen Wandels, kann aktives Zuhören eine Brücke bauen. Durch aktives Zuhören können Eltern ihr ehrliches Interesse ausdrücken. Und ihre Kind fühlen sich dadurch wirklich verstanden, gesehen und ernstgenommen. Im aktiven Zuhören werden Autonomiebedürfnisse der Jugendlichen berücksichtigt und oft können diese dann zu eigenen Lösungen für ihre Probleme kommen, sei es bei Schulangst, sozialen Herausforderungen oder inneren Konflikten.

 

Ein Fallbeispiel

Max ist ein 13-jähriger Junge. Er hat Probleme in der Schule: Er traut sich nicht zu melden. Dieses Beispiel zeigt, wie ein Gespräch mit und ohne aktives Zuhören verläuft.

Szene: Max und seine Eltern sitzen am Abendbrottisch.

Max: „Ich traue mich nicht, in der Schule zu melden, selbst wenn ich die Antwort auf die Fragen des Lehrers weiß.“

Variante 1: Der schnelle Ratschlag

Eltern: „Du bist doch ein schlauer Junge, du musst einfach mehr Selbstvertrauen haben. Versuche doch einfach, dir das zu sagen und dich morgen zu melden.“

Max: „Aber das ist nicht so einfach für mich.“

Eltern: „Du denkst einfach zu viel darüber nach. Es wird schon nicht so schlimm sein. Andere machen auch Fehler.“

Max (blickt aus dem Fenster und spricht leiser): „Vielleicht.“

Eltern: „Wirklich, Max, du machst dir zu viele Sorgen. Das ist alles kein großes Problem.“

Max: „Okay.“

In diesem Gespräch fühlt sich Max nicht wirklich verstanden oder unterstützt, weil seine Eltern schnell zu Lösungen springen, ohne seine Gefühle und Bedenken vollständig zu verstehen und anzunehmen.


Variante 2: Aktives Zuhören

Eltern: „Mh? Kannst du mir mehr darüber erzählen?“

Max: „Ja, ich habe Angst, etwas Falsches zu sagen und dass die anderen dann lachen.“

Eltern: „Es klingt so, als wäre das wirklich stressig für dich. Was denkst du, was könnte dir helfen?

Max: „Vielleicht könnte ich erst mal versuchen, mich bei Fragen zu melden, bei denen ich mir wirklich sicher bin.“

Eltern: „Das klingt nach einem guten Plan. Wir finden es toll, dass du uns davon erzählst. Möchtest du, dass wir gemeinsam noch andere Möglichkeiten überlegen, oder fühlst du dich mit diesem Plan erstmal gut?“

Max: „Ich glaube, ich will das erst mal so probieren.“

Eltern: „Okay, Max. Wenn Du Hilfe brauchst: Wir sind hier, um dich zu unterstützen, egal was passiert.“

Für viele Eltern fühlt sich diese Variante auf den ersten Blick als sehr “passiv” oder “zurückhaltend” an, da wir als Eltern gewohnt sind Ratschläge zu geben. Aber Max fühlt sich in diesem Gespräch gehört, verstanden und erlebt seine eigene Selbstwirksamkeit.

 

Fazit: Die innere Welte der Kinder besser verstehen

Aktives Zuhören ist mehr als eine Kommunikationstechnik; es ist eine Haltung der Empathie und des Respekts. Es kann die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern fördern, stärken und in der stürmischen Pubertätszeit erhaltenen. Es kann den Übergang zu einem neuen Verhältnis zwischen Eltern und Kind unterstützen, ein Verhältnis auf Augenhöhe. Es zeigt dem Kind, dass es als vollwertige Person respektiert wird, deren Gedanken und Gefühle wertvoll sind.

Dies fördert eine offene und vertrauensvolle Kommunikation und kann dazu beitragen, dass sich das Kind in zukünftigen Gesprächen mehr öffnet und aktiv teilnimmt. Aktives Zuhören hilft, die innere Welt der Kinder besser zu verstehen, und hilft den Kindern, sich selbst besser zu verstehen und zu entwickeln. So wird das Kind nicht allein mit seinen Sorgen gelassen, aber auch nicht überbehütet oder entgegen seiner Autonomiebestrebungen gehandelt.


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