Zukunftsangst bei Jugendlichen - Woher kommt sie und wie kann man ihr begegnen?

fachlich geprüft von Elena Cathrin Knie (Psychologin)

Krisen und die damit einhergehende Unsicherheit über die Zukunft haben immer bestanden, aber junge Menschen stehen heutzutage vor einer neuen Herausforderung: Die ständige Konfrontation mit globalen Notlagen und der sofortige Zugang zu Informationen verleihen der Zukunftsangst eine neue Intensität.

Das macht den Umgang mit der Zukunftsangst nicht einfacher - aber es gibt Möglichkeiten zu lernen, mit der Zukunftsangst besser umzugehen.

Junge Frau mit "Time is Running Out" Plakat als Symbol für Zukunftsangst

Lesezeit: 5 Min


Zukunftsangst: Nicht neu, aber heutzutage anders!

Unabhängig von ihrer Generation haben die meisten Menschen in ihrem Leben Zeiten erlebt, in denen sie sich Ängste und Sorgen über die Zukunft gemacht haben. Sei es durch Kriege, Wirtschaftskrisen oder persönliche Lebensumstände - die Angst vor dem Unbekannten gehörte schon “damals” dazu. Jedoch waren die Ängste früher oft individueller und stärker von der persönlichen Lebenssituation und dem eigenen Umfeld geprägt.

In der heutigen Zeit haben sich die Ängste und deren Ursachen verändert. Die Bedrohungen fühlen sich allgegenwärtiger an und sind schwerer zu übersehen. Ein maßgeblicher Faktor dabei ist die Rolle der sozialen Medien: Junge Menschen werden täglich mit den Katastrophen der Welt auf Plattformen wie Twitter, Facebook, Instagram oder TikTok konfrontiert, was das Gefühl der Unsicherheit und Angst verstärken kann.

Zusätzlich sind die Auswirkungen von globalen Krisen viel spürbarer in unserem Alltag geworden. Das Klima verändert sich merklich, was zu ungewöhnlichen Wetterereignissen bei uns vor Ort führt. Pandemien zwingen uns zu neuen Verhaltensweisen, wie dem Tragen von Masken. Und wirtschaftliche Herausforderungen, wie der Zusammenbruch von Lieferketten, beeinflussen uns direkt, wenn Produkte des täglichen Lebens plötzlich nicht mehr verfügbar sind. All diese Veränderungen machen die Zukunftsängste greifbar und real für die heutige Generation.

Angst um die Zukunft: Ursachen liegen auch in der kollektiven Wahrnehmung

In unserer vernetzten Welt verbreiten sich nicht nur Informationen rasant, sondern auch die damit verbundenen Gefühle, denn wie auch andere Emotionen, kann Angst ansteckend wirken.

Während in der Vergangenheit Ängste oft individuell und an bestimmte Orte gebunden waren, schafft die heutige Globalisierung ein gemeinsames Empfinden. Dies zeigt sich besonders dann, wenn eine Krise in einer Region der Welt ausbricht und Menschen weltweit die gleichen Emotionen teilen. Es entsteht ein kollektives Gefühl der Unsicherheit, das über kulturelle und gesellschaftliche Grenzen hinweg wirkt.

Bei unseren Vorfahren war die kollektive Angst ein sinnvoller Mechanismus: Wenn der Stamm bedroht war, war auch das Individuum in Gefahr. Dieses tief verwurzelte Empfinden tragen wir noch immer in uns. Doch in der heutigen, digitalen Welt ist unser "Stamm" oft unsere Online-Community. Es entstehen Ängste in uns, die durch reale Bedrohungen anderer hervorgerufen werden, obwohl sie für uns persönlich nicht unmittelbar bedrohlich sind.

Für das Individuum kann dies das Stresslevel enorm erhöhen und das Gefühl der ständigen Alarmbereitschaft intensivieren. Es wird schwieriger, zwischen eigenen und global geteilten Ängsten zu unterscheiden.

Angst ist nicht immer gleich Angst: Warum man sich seine Gefühle genauer anschauen sollte

Im Umgang mit Zukunftsängsten hilft ein differenzierter Blick auf die eigenen Gefühle, denn was wir als Angst wahrnehmen, ist nicht immer nur Angst. Zukunftsängste, die durch Bedrohungen wie die Klimakrise oder Kriege entstehen, gehen oft mit anderen Gefühlen oder Zuständen einher.

Um Zukunftsangst zu begegnen, ist es in einem ersten Schritt wichtig, sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen und diese zu benennen. Gefühle, die im Kontext “Zukunftsangst” häufig mit Angst verbunden sind, sind z.B.:

 
  • Ohnmacht und Hilflosigkeit

  • Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung

  • Kontrollverlust

  • Trauer

  • Zukunftsverdrossenheit

  • Überforderung

 

Indem wir unsere Gefühle differenziert wahrnehmen und benennen, können wir lernen, mit belastenden Situationen besser umzugehen. Wir können ein tieferes Verständnis für uns selbst und unsere Emotionen erlangen und dadurch die eigene psychische Verfassung besser erkennen, verstehen, akzeptieren oder verändern.

Ist das noch normal? Ab wann Zukunftsangst problematisch wird

Hat man seine Gefühle genauer verstanden und stellt fest, dass es sich wirklich um Angst handelt, stellt sich die Frage: Wie viel Angst ist normal?

Ein gewisses Maß an Angst ist für uns Menschen verträglich und sogar hilfreich, denn Ängste haben auch eine Funktion: Sie weisen darauf darauf hin, dass Handlungsbedarf besteht und haben eine aktivierende Seite, die dazu anregt, die aktuelle Situation zu verändern.

Aber ab wann wird Angst problematisch? Wann sollten sich Eltern wirklich Sorgen, um ihre Kinder machen? Wann sollte man im Freundeskreis aufhorchen? Worauf muss man auch bei sich selber achten, um sich zu schützen und nicht in ein “Angstloch” zu fallen?

Wenn die Angst das tägliche Leben beeinträchtigt, Schlafprobleme verursacht, zu ständiger Unruhe führt oder wenn man keine Freude mehr am Leben findet, kann dies Anzeichen für eine pathologische Angst sein. In solchen Fällen ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Optimistischer Blick nach vorn: 5 Tipps gegen Zukunftsangst

Man muss aber nicht erst krank werden, um etwas gegen seine Zukunftsangst zu tun. Wenn einen die Sorgen um die eigene Zukunft belasten, gibt es einfache Maßnahmen, mit denen sich wieder mehr Zufriedenheit und Lebensfreude ins Leben bringen lassen. Hier unsere 5 Tipps von unseren AllyWell-Coaches:

  1. Informieren: Ein fundiertes Wissen über globale Herausforderungen kann helfen, Ängste in den richtigen Kontext zu setzen. Es ist wichtig, sich umfassend zu informieren. Wissen über die Ursachen, Auswirkungen und potenzielle Lösungen der aktuellen Krisen kann helfen, Ängste zu beruhigen und Handlungsmöglichkeiten zu erkennen. Verlässliche wissenschaftliche Berichte und Expertenmeinungen sind hilfreiche Ressourcen.

  2. Austausch: Offenes Reden über Ängste und Sorgen kann befreiend wirken. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass man nicht allein ist. Durch den Austausch von Gedanken und Gefühlen mit anderen kann man emotionale Unterstützung und Trost finden. Freunde, Familie oder auch Unterstützungsgruppen können in schwierigen Zeiten eine Stütze sein.Der Austausch über unsere psychische Verfassung kann auch dazu beitragen, Stress abzubauen. Unsere Sorgen und Ängste zu teilen kann ein Ventil sein, das uns dabei hilft, Druck abzulassen und uns besser zu fühlen. Wir spüren, dass wir nicht allein sind und dass viele Menschen ähnliche Erfahrungen oder Herausforderungen durchmachen. Dies kann dazu beitragen, unsere eigenen Erfahrungen zu normalisieren und das Gefühl der Stigmatisierung zu verringern.

  3. Aktiv werden: In der heutigen Zeit sind viele Menschen, insbesondere Jugendliche, von dem Wunsch getrieben, Veränderungen herbeizuführen. Dabei muss das Engagement nicht immer im großen Maßstab stattfinden. Beginnen kann man bereits im eigenen Umfeld, in der Familie oder der Gemeinschaft. Kleine Handlungen, wie das Fördern von nachhaltigen Lebensgewohnheiten in der eigenen Familie, das Anpflanzen eines Gartens oder das Unterstützen lokaler Umweltinitiativen, können einen Unterschied machen. Darüber hinaus kann man sich in Projekten oder Organisationen engagieren, die sich für eine bessere Zukunft einsetzen. Klimaproteste, zum Beispiel, haben bereits das Bewusstsein für den Klimawandel geschärft und politische Debatten angeregt. Während die Möglichkeiten, großflächige Veränderungen herbeizuführen, begrenzt sein können, ist der Einfluss, den man in seinem direkten Umfeld hat, nicht zu unterschätzen. Das aktive Handeln, egal ob im Großen oder im Kleinen, gibt zudem das Gefühl, nicht machtlos zu sein und aktiv zur Verbesserung beizutragen.

  4. Selbstfürsorge durch Abgrenzung: In einer Welt, in der wir ständig mit Informationen bombardiert werden, ist es unerlässlich, sich bewusst abzugrenzen. Das bedeutet nicht, sich völlig zu isolieren, sondern sich gezielte Auszeiten von den Medien und sozialen Netzwerken zu nehmen. Dies kann auch bedeuten, dass man sich nur einmal pro Woche auf den aktuellen Stand bringt und hierzu eine klassische Wochenzeitung nutzt, statt Kriegsvideos zu schauen.All dies gibt uns Raum, unsere Gedanken zu ordnen, uns zu erholen und einen klaren Kopf zu behalten. Abgrenzung hilft uns, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren und unsere Energie effektiv zu nutzen, anstatt uns von jedem globalen Geschehen überwältigen zu lassen. Es ist eine Form der Selbstfürsorge, die uns ermöglicht, mit unseren eigenen Emotionen und Gedanken in Kontakt zu bleiben, ohne von äußeren Einflüssen überfordert zu werden.

  5. Eigene Ressourcen nutzen: Es ist essenziell, unsere eigenen Ressourcen zu nutzen und Dinge zu tun, die uns Energie geben. Dies hilft uns, uns wieder aufzuladen und aktiv gegen Ängste anzugehen. Wenn wir uns schwach und traurig fühlen, können wir nicht mit voller Kraft Veränderungen herbeiführen. Daher ist es von großer Bedeutung, auf uns selbst zu achten - das ist ein Akt der Selbstfürsorge. Selbst in schwierigen Zeiten, in denen viele Dinge bedrückend sind, ist es nicht nur akzeptabel, Freude und Spaß zu empfinden, sondern auch äußerst wichtig. Unter unseren Übungen finden sich einige wertvolle Tipps & Tricks.


Unsere psychologische Mentorinnen stehen dir über unsere App AllyTime auch persönlich zur Seite.


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