Mental Load in Familien: Die unsichtbare Belastung und Wege zur Entlastung

Mental Load lässt sich nicht vermeiden, aber die Ungleichverteilung von Mental Load innerhalb einer Familie schon. Noch immer tragen Frauen in vielen Familien die Hauptlast der Mental Load - und das obwohl viele Partner bereit sind Arbeit zu übernehmen. Die Gründe liegen oft daran, dass Aufgaben nicht vollständig übernommen, aber auch daran dass Aufgaben nicht vollständig abgegeben werden.


Lesezeit: 10 Min


Was ist Mental Load?

Der Begriff “Mental Load” ist in den meisten Familien längst kein Fremdwort mehr. Gemeint ist die mentale, emotionale und kognitive Arbeit, die damit verbunden ist, den Alltag und die Bedürfnisse der Familie zu organisieren, zu planen und zu koordinieren. Dazu gehören das Planen von Mahlzeiten, die Organisation von Terminen und Aktivitäten der Kinder, die Verwaltung des Familienbudgets, die Koordination von Arztbesuchen und vieles, vieles mehr.

Oft bleibt diese Last unsichtbar und unbemerkt. Ihre Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden können aber erheblich sein.

Warum sind mehr Mütter von einem Zuviel an Mental Load betroffen?

Noch immer sind in vielen Köpfen traditionelle Geschlechterrollen und gesellschaftliche Erwartungen tief verankert. In diesen tragen Frauen und Mütter die Verantwortung für die Organisation und Gestaltung des Familienlebens und sie sind zuständig für die Verpflegung und Versorgung der Kinder. Gleichzeitig gehen Frauen und Mütter eigenen Berufen und Interessen nach. Die Vereinbarkeit wird oft als selbstverständlich vorausgesetzt, sowohl gesellschaftlich, als auch von den Müttern selbst.

Hier liegen auch die wesentlichen Ursachen für die Ungleichverteilung von Mental Load:

  1. Gesellschaftliche Erwartungen: Frauen werden oft als Hauptverantwortliche für die Kindererziehung, den Haushalt und die Organisation des Familienlebens angesehen. Diese gesellschaftlichen Erwartungen setzen Frauen unter Druck, multiple Rollen gleichzeitig zu erfüllen.

  2. Traditionelle Rollenbilder: Historisch gesehen waren Frauen für die Familienpflege und den Haushalt zuständig, während Männer für den Erwerbsarbeit zuständig waren. Obwohl sich die Geschlechterrollen im Laufe der Zeit verändert haben, sind traditionelle Vorstellungen von der Rolle der Frau in vielen Kulturen immer noch stark verankert.

  3. Unsichtbare Arbeit: Viele Aufgaben im Zusammenhang mit der Familienorganisation sind unsichtbar und werden oft nicht als "Arbeit" anerkannt. Dazu gehören die Planung von Aktivitäten, das im Auge behalten von Terminen und die Organisation von Arztbesuchen.

  4. Mangelnde Unterstützung: Frauen erhalten oft nicht die gleiche Unterstützung von ihren Partnern oder der Gesellschaft, um den Mental Load zu bewältigen. Dies kann dazu führen, dass Frauen überlastet sind und sich allein gelassen fühlen.

Aktuelle Studie zu Mental Load bei Frauen aus den USA

Dass Frauen oft die Hauptlast der mentalen Arbeit im Haushalt und in der Familienorganisation tragen zeigen auch neuste Studien.

In einem groß angelegten Feldexperiment wurden über 80.000 Schulleiter in den USA von Eltern via E-Mail kontaktiert. Dabei variierte die Verfügbarkeit der Eltern und wer die E-Mail sendete. Es stellte sich heraus, dass Mütter 40 % häufiger zurückgerufen wurden als Väter. Selbst wenn die Väter ihre Verfügbarkeit signalisierten, verringert sich dieser Unterschied nur teilweise.

Diese Erkenntnisse lassen sich auch auf andere Bereiche außerhalb der Schule übertragen: Auch der Sportverein, die KiTA oder der Hausarzt werden mit hoher Wahrscheinlichkeit eher dazu neigen, die Mutter anzurufen als den Vater.

Insgesamt führen diese und andere Faktoren dazu, dass Mütter und Frauen eine überproportionale Last der Mental Load tragen und dadurch einem höheren Risiko für Stress, Erschöpfung und psychische Belastungen ausgesetzt sind.

Wann wird Mental Load zu viel?

Die Mental Load kann erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, das Selbstwertgefühl und die Beziehungen von Frauen haben. Die ständige Sorge um die Bedürfnisse anderer und die fortwährende Planung und Organisation, können zu Gefühlen von Überforderung, Angst und Depression führen. Darüber hinaus kann die unausgewogene Verteilung der mentalen Arbeit zu Spannungen und Konflikten in Partnerschaften führen, da Frauen sich oft nicht ausreichend unterstützt oder wertgeschätzt fühlen.

Gerade Mütter sind davon betroffen. Die Konsequenzen reichen von Mama-Burnout bis hin zu Depression und Angst.

Mental Load wird dann zu viel, wenn die Belastung so groß wird, dass sie die Fähigkeit einer Person, damit umzugehen, übersteigt. Einige Symptome dafür, dass der Mental Load zu viel geworden ist, können sein:

  • Übermäßiger Stress: Wenn die Anforderungen des Alltags zu einem überwältigenden Gefühl von Stress führen, kann dies ein Zeichen dafür sein, dass der Mental Load zu hoch ist.

  • Erschöpfung: Eine chronische Müdigkeit und Erschöpfung, selbst nach ausreichendem Schlaf, kann darauf hindeuten, dass die mentale Belastung zu groß ist.

  • Schlafstörungen: Schwierigkeiten beim Einschlafen oder Durchschlafen aufgrund von übermäßigem Nachdenken über anstehende Aufgaben oder Sorgen können ein Anzeichen für einen zu hohen Mental Load sein.

  • Konzentrationsprobleme: Wenn die mentale Belastung zu groß ist, kann es schwer sein, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren oder sich zu erinnern, was getan werden muss.

  • Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen: Übermäßiger Mental Load kann zu einer erhöhten Reizbarkeit und einer verminderten Fähigkeit führen, mit Stress umzugehen, was zu Stimmungsschwankungen führen kann.

  • Physische Symptome: Übermäßiger Mental Load kann sich auch in physischen Symptomen wie Kopfschmerzen, Magenbeschwerden oder Muskelverspannungen äußern.

Wenn diese Symptome auftreten und anhalten, ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen und Wege zu finden, den Mental Load zu reduzieren, um die mentale und körperliche Gesundheit zu erhalten.

TRT: Eine wirksame Maßnahme gegen die Ungleichverteilung von Mental Load

Will man selbst etwas gegen die Ungleichverteilung der Mental Load in der eigenen Familie tun, empfiehlt sich das Konzept des "Total Responsibility Transfers" (TRT).

TRT (manchmal auch CPE für ”Conception-Planning-Execution”) wird in den USA schon häufig in Familien eingesetzt und basiert auf einem Konzept aus dem Buch "The Family Firm" von der bekannten Influencerin Emily Oster.

Bei TRT geht es um die "vollständige Übertragung der Verantwortung". Es bezieht sich darauf, dass wenn jemand eine Aufgabe übernimmt, er oder sie alle Teile davon übernehmen muss. Gleichzeitig fordert TRT aber auch, dass die andere Person die Kontrolle über die Aktivität vollständig abgibt, ohne sich einzumischen oder Vorschläge zu machen.

Ein Beispiel: Sarah ist Mutter. Es ärgert sie, dass immer sie das Frühstück machen muss und würde diese Aufgabe gerne an ihren Partner Thomas übertragen. Thomas ist bereit diese Arbeit zu übernehmen. Dies bedeutet, dass Thomas morgens den Tisch deckt und ihn natürlich auch wieder abdeckt. Zusätzlich bedeutet es aber auch, dass Thomas die notwendigen Einkäufe für das Frühstück auf die gemeinsame Einkaufsliste schreibt und sich um eine Lösung kümmert, wenn er einmal zwei Tage auf Geschäftsreise ist, indem er dann dem ältesten Sohn die Aufgabe übeträgt.

Wenn Thomas jetzt allerdings immer nur süße Cornflakes einkauft, muss Sarah dies akzeptieren, mit dieser Entscheidung leben und darf diese nicht kritisieren. Hier kann natürlich schon der nächste Konflikt vorprogrammiert sein: Sarah ärgert sich über das ungesunde Essen, artikuliert dies aber, indem sie Thomas in der Ausführung der Aufgabe kritisiert (“Immer wenn Du Frühstück machst, sind es die ungesunden Cornflakes.”). Daher fordert TRT noch eine weiteren Baustein: Das Definieren von gemeinsamen, grundlegenden Regeln.

Wenn man sich Sarah und Thomas als Eltern darauf geeinigt haben, dass alle Mahlzeit möglichst gesund sein sollten, dann wird sich Thomas nach dieser gemeinsamen Regel richten. Sicherlich wird es dann hier und da noch unterschiedliche Meinung darüber geben, ob diese oder jeden Mahlzeit gesund oder ungesund ist, aber die Diskussion ist dann nicht mehr auf die Aufgabe “Frühstück” bezogen, sondern auf das Essen im Allgemeinen. Die Verteilung des Mental Load wird damit nicht angetastet.

Wir von AllyWell haben gute Erfahrungen mit TRT gemacht und raten zu 6 einfachen Verhaltensweisen für dessen Einführung:

  1. Bewusste Entscheidungsfindung: Eltern sollten bewusst darüber nachdenken, wie sie die Familienaufgaben verteilen und wie sie eine Familienlebensstruktur schaffen können, die für alle Beteiligten angenehm ist.

  2. Keine halben Sachen: Die Idee des Total Responsibility Transfer ist, dass Aufgaben vollumfänglich übertragen bzw. übernommen werden. Wenn also jemand eine Aufgabe übernimmt, ist diese Person “von Anfang bis Ende” für diese verantwortlich. Dies beinhaltet auch die Planung und die Überwachung.

  3. Klare Kommunikation: Es ist wichtig, eine klare Kommunikation innerhalb der Familie zu fördern, um sicherzustellen, dass alle Familienmitglieder verstehen, wer für welche Aufgaben verantwortlich ist und wie sie umgesetzt werden sollen. Manchmal hilft hier auch ein Familienplan, auf dem die Aufgaben für alle sichtbar aufgeschrieben werden.

  4. Bereitschaft aller zur Übernahme von Verantwortung: Alle Familienmitglieder sollten bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und Aufgaben zu erledigen - nicht nur die Eltern. Dies fördert den Zusammenhalt und den Respekt innerhalb de Familie.

  5. Respektieren der Übertragung: Wenn eine Aufgabe übertragen wird, sollte sie respektiert und nicht hinterfragt werden. Das bedeutet, dass die Person, der die Aufgabe übertragen wurde, die Freiheit hat, sie auf ihre eigene Weise zu erledigen, ohne ständige Einmischung oder Kritik.

  6. Gemeinsame, grundlegende Regeln, statt Kritik an der Aufgabe: Wenn eine Person grundlegend nicht damit zufrieden ist, wie eine andere Person eine Aufgabe ausführt, darf er oder sie nicht die Durchführung der Aufgabe kritisieren (siehe Punkt 5), aber darf mit der anderen Person über die dahinter liegenden Regeln sprechen. Dabei geht es nicht darum, innerhalb einer Familie alles zu reglementieren, sondern darum grundlegende Einverständnisse zu schaffen.

Indem diese Maßnahmen umgesetzt werden, können Familien dazu beitragen, die Ungleichverteilung von Mental Load zu verringern und ein ausgewogeneres Familienleben zu fördern.

Fazit

Eine bewusste und aktive Kommunikation seitens der Familien kann dazu beitragen, dass es zu einer ausgeglicheneren Verteilung von Mental Load kommt, beispielsweise indem Väter deutlich ihre Verfügbarkeit zeigen, aber auch indem Mütter konsequent Aufgaben abgeben.

Gleichberechtigung sollte thematisiert und gelebt werden, angefange in KiTAs und Schulen, aber auch in anderen Institutionen. Politisch und gesellschaftlich muss weiter an Maßnahmen und Regelungen gearbeitet werden, die Eltern in verschiedenen Bereichen ihres Lebens, wie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen.


Als psychologische Mentorinnen stehen wir dir über unsere App AllyTime auch persönlich zur Seite.


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