Ist mein Partner depressiv – was kann ich tun?

fachlich geprüft von Lea Siemann (Dipl. Pädagogin)

Klar, jeder ist mal mies drauf oder hat eine schlechte Phase. Wenn’s im Job nicht läuft, der November sechs Monate lang zu sein scheint oder Streit mit Freunden oder Familie das Herz beschwert. Doch was, wenn der geliebte Mensch an der Seite depressiv wird? Dann wirft diese Dunkelheit der Seele nicht selten einen Schatten auf die Beziehung und kann sich auch auf den nicht depressiven Partner auswirken.

Wenn durch die Depression des Partners Traurigkeit, Pessimismus, Antriebslosigkeit und psychosomatische Beschwerden den Alltag bestimmen, kann das eine große Herausforderung für die Beziehung darstellen. Nicht selten versuchen Angehörige dann zu helfen, was in großer Erschöpfung, Frustration und im schlimmsten Fall sogar mit einer Trennung enden kann. Oft fühlen Partner sich emotional stark belastet, schuldig am Unglück des Lebensgefährten und alleingelassen mit der großen Last. 

Dieser Artikel soll über Depressionen aufklären, Hilfestellung für betroffene Partner bieten und konkrete Alltagstipps geben. Wir verraten dir, wie du auf dich aufpassen und gleichzeitig mit deinem Partner Wege aus der Krise finden kannst.


Lesezeit 15 Min


Depression vs. Traurigkeit – wo ist der Unterschied?

Auf den ersten Blick können traurige Menschen und depressive Menschen ähnlich auf ihr Umfeld wirken. Doch Traurigkeit ist eine gesunde Reaktion auf etwas, das den oder die Betroffene betrübt. Traurigkeit ist vorübergehend und lässt gleichzeitig noch andere Gefühle zu. Sie geht irgendwann vorüber, wenn die Person gelernt hat, damit umzugehen. Auch kann die Traurigkeit in Wellen kommen, beim Verlust eines Menschen oder Tieres beispielsweise, doch kann die traurige Person weiter am Leben teilhaben. Traurigkeit bedarf allgemein gesprochen keiner medizinischen Behandlung. 

Bei einer Depression handelt es sich um eine ernsthafte medizinische Erkrankung. Sie kann viele negative Auswirkungen auf die betroffene Person haben, die Monate und Jahre anhalten können. Auch kann eine Depression ohne ersichtlichen Grund auftreten, wobei Traurigkeit meist einen konkreten Auslöser hat. Depressionen sollten immer medizinisch begleitet werden, denn je früher sie behandelt werden, desto besser sind ihre Heilungsprognosen und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich verschlimmern und vielleicht sogar lebensbedrohlich werden.

Wie erkenne ich Depressionen bei meinem Partner?

Depressionen können sich einschleichen, sich langsam entwickeln und treten selten plötzlich auf. Aber ganz gleich, weshalb der Partner depressiv wird, für den nicht depressiven Partner ist der Umgang mit der Veränderung eine große Herausforderung. Aber woran merke ich, ob mein Partner depressiv ist oder einfach nur schlecht drauf? Hier einige Merkmale, die darauf hindeuten können, dass dein Partner depressiv ist: 

  • Die Stimmung ist immer gedrückt

Wenn das Gefühl der Traurigkeit allumfassend ist. Auch ein Gefühl der Leere, der Hoffnungslosigkeit und des generalisierten Pessimismus können Warnsignale sein. Ständiges Meckern und Pessimismus sind ebenfalls Zeichen für eine Depression. 

  • Der Partner wird passiv

Bei depressiven Partnern kommt es vor, dass geliebte Hobbys, Freunde und Interessen plötzlich keine Rolle mehr spielen. Der Partner zieht sich zurück, wirkt lustlos und findet keine Freude mehr an einst erhellenden Tätigkeiten. 

  • Der Partner ist schlapp und müde

Womit fast alle an Depressionen erkrankten Menschen zu kämpfen haben, ist eine lähmende Antriebslosigkeit. Selbst kleinste Aufgaben und To-dos scheinen nicht zu bewältigen zu sein. Wichtige Aufgaben werden nicht erledigt und bleiben liegen. 

  • Der Partner schläft schlecht und isst mehr oder weniger

Sehr häufig verändern von Depression Betroffene ihr Schlaf- und Essverhalten. Oft liegen sie nachts wach und grübeln, haben Albträume und können nicht wieder einschlafen. Das verstärkt die Müdigkeit und Antriebslosigkeit häufig. Schlaflosigkeit kann sich auf den Appetit auswirken und dazu führen, dass Partner mehr oder auch weniger essen. Eine Gewichtszu oder -abnahme kann die Depression wiederum verstärken. 

  • Der Partner ist weniger leistungsfähig

Im Alltag, aber auch im Job hat der depressive Partner häufig Probleme damit, sich zu konzentrieren. Das Denken verlangsamt sich, es wird viel vergessen und die Aufmerksamkeitsspanne wird kürzer. Das kann auch zu beruflichen Problemen und so zusätzlich zu einem Burnout führen. 

  • Der Partner hat körperliche Beschwerden

Auch psychosomatische Beschwerden sind ein Indikator von Depressionen. Das können sein: Schwindel, Kopfschmerzen, Ohrensausen, Verdauungsprobleme und diffuse Schmerzen am ganzen Körper. Auch das andauernde Beschäftigen mit körperlichen Beschwerden kann ein Symptom von Depressionen sein. 

  • Der Partner spricht negativ über sich

Depressionen können dazu führen, dass dein Partner ein Gefühl der Wertlosigkeit erlebt. Das kann sich darin äußern, dass er permanent in den schlechtesten Tönen über sich schimpft und sich selbst niedermacht. Oft wird versucht, auch Beweise für die eigene Wertlosigkeit zu finden.

  • Dein Partner ist hibbelig und ängstlich

Themen und Situationen, die früher keine Probleme dargestellt haben, stellen plötzlich eine Herausforderung dar. Dein Partner reagiert vielleicht gereizt auf Terminerinnerungen, Treffen mit Freunden und Familie oder hat übermäßige Angst vor alltäglichen Dingen, wie beispielsweise dem Einkaufen oder Autofahren.

Wichtig: Wenn einige oder alle dieser Verhaltensweisen und Merkmale auf deinen Partner zutreffen, kann er oder sie von einer Depression betroffen sein und benötigt Hilfe. Ob dein Partner oder deine Partnerin an einer Depression erkrankt ist, kann aber nur eine Fachkraft mit ausreichend diagnostischen Kenntnissen beurteilen. Es ist unbedingt davon abzuraten, Selbstdiagnosen zu stellen und den Weg zum Arzt oder Therapeuten nicht zu machen. Denn auch andere Ursachen können hinter diesen Symptomen liegen.

Mein Partner ist depressiv: Wie kann ich helfen?

Am Anfang einer Depression haben die meisten nicht depressiven Partner noch viel Verständnis, Kraft und den großen Wunsch, ihrem betroffenen Partner zu helfen. Doch nach einiger Zeit, wenn sich keine Verbesserung an dem Zustand des Lebensgefährten einstellt, können Gefühle der Hilflosigkeit und Ohnmacht aufkommen.

Was auch passieren kann, ist, dass viele Betroffene das depressive Verhalten des Partners persönlich nehmen und auf sich beziehen. Sie können anfangen, Schuldgefühle zu entwickeln, was einen Faktor darstellen kann, selbst eine Depression oder eine andere psychische Erkrankung zu entwickeln.

Der Umgang mit einem depressiven Partner oder einer depressiven Partnerin kann eine herausfordernde Situation sein, die viel Geduld, Verständnis und Empathie erfordert. So kannst du deinen depressiven Partner unterstützen:

  • Hilfe suchen: Die Hürde, die Krankheit anzuerkennen und sich die nötige Hilfe zu holen – das kann sich für an Depressionen erkrankten Menschen unmöglich anfühlen. Hier kannst du behutsam ermutigen und vielleicht Familie und Freunde mit einbeziehen, so dass der erste Schritt nicht so schwer wird. Auch eine Behandlung mit Medikamenten könntest du vorschlagen und dabei unterstützen, einen Psychiater und einen Psychotherapeuten zu finden. Du kannst dich bei unserem AllyWell Experten Team melden und gemeinsam mit deinem Partner und unseren Coaches eine Strategie entwickeln. 

  • Haushalt und Ordnung: Je nachdem, ob du mit deinem Partner zusammenlebst oder nicht, kannst du versuchen, im Haushalt Ordnung zu halten. In einer akuten depressiven Krise fällt es vielen Betroffenen schwer, die gewohnten Routinen aufrechtzuerhalten. Ordnung, Sauberkeit und Routinen sind aber gleichzeitig sehr förderlich auf dem Wege der Heilung und raus aus der Depression. 

  • Hör deinem Partner zu: Oft neigen Partner an Depressionen erkrankter Menschen dazu, die Depression mit aller Kraft verschwinden lassen zu wollen. Sie wollen aktiv etwas tun, damit es dem Partner wieder besser geht. Doch ist hier das Zuhören häufig ausreichend. So lernt dein Partner, dass du in Liebe verbunden bleibst, trotz all der düsteren Gedanken und Gefühle. Versuche nicht zu bewerten, zu urteilen oder viele Lösungen anzubieten. Sei einfach da. 

  • Geht raus: An Depressionen erkrankten Menschen neigen dazu, sich zurückzuziehen und inaktiv zu werden, was die Depression verschlimmern kann. Versuche, mit deinem Partner jeden Tag rauszugehen. Täglich eine Stunde spazieren zu gehen, kann sehr zur Gesundung deines Partners beitragen. Tägliche Bewegung ist essenziell auf dem Weg der Heilung einer Depression und sollte keinesfalls vernachlässigt werden. 

  • Gebt der Depression einen festen Rahmen: Gebt der Depression einen Raum. Trefft euch morgens und sprecht über die Nacht, den Schlaf, (Alb-)Träume und was an dem Tag ansteht. Abends könnt ihr euch erneut zusammensetzen und darüber sprechen, wie der Tag gelaufen ist. So hat die Depression ihren Raum, ohne den gesamten Tag einzunehmen. Das kann für die betroffene Person und für dich eine Erleichterung sein. 

  • Sei geduldig: Veränderungen passieren nicht über Nacht. Zeig deinem Partner, dass du die kleinen Fortschritte auf dem Weg raus aus der Depression siehst. Versuch, weiterhin liebevoll und unterstützend zu sein und die Augenhöhe zu bewahren.

  • Erstellt einen Notfallplan: Bereitet euch auf eine mögliche Krisensituation, wie eine Panikattacke, Suizidgedanken oder einen Nervenzusammenbruch vor. Überlegt, wen man im Notfall kontaktieren kann. Sei es die Seelsorge, den Hausarzt, den Psychotherapeuten oder Freunde und Familie. Schreibt die Namen mit Telefonnummern auf einen Zettel und pinnt ihn an den Kühlschrank. Belegt die Kurzwahltasten des betroffenen Partners mit den wichtigsten Notfallkontakten. 

  • Erstellt eine Exitstrategie: Besprecht, ab wann du dich rausnehmen musst, da es deine Kräfte und Kompetenzen übersteigt. Ihr solltet dafür außerhalb einer akuten Krise einen Plan erstellen, wer dann übernimmt. Geht es dann in die Psychiatrie? Die Notaufnahme im Krankenhaus? Zu den Eltern deines Partners? Ihr habt es in der Hand. Bezieht bei der Planung einer Notfallsituation bestenfalls auch – wenn vorhanden – den Psychotherapeuten deines Partners mit ein. 

Mein Partner ist depressiv: Was kann ich für mich tun?

Du kannst die Depression deines Partners nicht heilen. Selbst wenn dein Partner die Gründe und Ursachen in eurer Partnerschaft sieht, ist es nicht deine Aufgabe, die Depression verschwinden zu lassen, denn das ist nicht möglich. Allerdings kannst du deinen Partner intensiv unterstützen. Dies tust du vor allem, indem du auf dich achtest:

  1. Such dir Hilfe: Denn mit einem depressiven Partner zusammen zu sein, kann stark emotional belasten – es gibt allerhand Angebote für Angehörige. Auch online, telefonisch und anonym. Auch kannst du dich bei der telefonischen Notfallseelsorge melden, deinen Hausarzt ansprechen oder unsere AllyWell Coaches um Rat bitten. Indem du dir helfen lässt, sorgst du gut für dich selbst. Nur so kannst du Grenzen setzen und in Krisen die nötige Energie aufbringen. 

  2. Informiere dich: Es gibt zahlreiche Internetplattformen, Selbsthilfegruppen, geleitete Gruppen, Podcasts und Bücher zu dem Thema. Such dir Verbündete und tausche dich aus. Das kann dir dabei helfen, nicht zu verzweifeln und die Symptome deines Partners nicht zu persönlich zu nehmen. 

  3. Setze Grenzen: Es ist wichtig, dass du in deiner Kraft bleibst. Deshalb ist es wichtig, dass du dich in Momenten der Überforderung zurückziehst. Das kannst du mit deinem depressiven Partner besprechen und im Vorfeld einen Notfallplan erstellen. So bekommt dein Partner die wichtige Hilfe an anderer Stelle, während du deine Ressourcen schonst.

Mein Partner hat Suizidgedanken – was kann ich tun?

Leider sind bei an einer Depression erkrankten Menschen immer wiederkehrende Gedanken über den Tod, das Sterben und auch Suizid möglich. Wenn dein Partner solche Gedanken laut äußert oder sich auffällig verhält (z.B. Schreiben eines Abschiedsbriefes, Googeln von Medikamenten, die zum Tod führen können etc.), ist Soforthilfe gefragt. Bei einem Anzeichen von Suizidabsichten handelt es sich um einen dringenden Notfall. In solch einer Situation ist es wichtig, folgende Schritte zu beachten:

  • Notruf: Im akuten Notfall wähle die 112, um sofortige Hilfe zu bekommen.

  • Ärztlicher Bereitschaftsdienst: Unter der Rufnummer 116117 erreichst du den ärztlichen Bereitschaftsdienst, der außerhalb der Praxisöffnungszeiten zur Verfügung steht.

  • Krankenhaus: In psychischen Notfällen kann die Aufnahme in ein Krankenhaus notwendig sein, um eine akute Krise zu behandeln. Wende dich an die nächste Klinik.

  • Krisendienste: Es gibt verschiedene Krisendienste und -hotlines, die rund um die Uhr erreichbar sind. Ein Beispiel ist die Telefonseelsorge, die du unter den kostenfreien Nummern 0800 1110111 oder 0800 1110222 erreichst.

  • Sozialpsychiatrischer Dienst: Über Suchmaschinen kannst du mit Begriffen wie "sozialpsychiatrischer Dienst + [Wohnort]" entsprechende Anlaufstellen finden. Diese bietet Unterstützung für Menschen in psychischen Krisen.

  • Lasse deinen Partner nicht allein.

  • Versuchen, ein offenes Gespräch über die Gedanken und Gefühle zu führen.

  • Auch eine Zwangseinweisung in eine psychiatrische Notfallaufnahme ist im Notfall möglich. 

Fazit

Das Leben mit einem depressiven Partner kann sehr belastend sein. Glücklicherweise gibt es sehr viele Hilfsangebote und Strategien, die dabei unterstützen können, eine Depression zu lindern – du bist nicht allein! Grundsätzlich ist es wichtig, Grenzen zu setzen und stets achtsam auf die eigene Gesundheit zu schauen. Suche und hole Dir Hilfe, denn du brauchst nicht allein durch diese Phase gehen.


Unsere psychologischen Mentorinnen stehen dir über unsere App AllyTime auch persönlich zur Seite.


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Ängste bei Kindern und Jugendlichen nach Altersstufen: Ein normaler Teil der Entwicklung

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