Ängste bei Kindern und Jugendlichen nach Altersstufen: Ein normaler Teil der Entwicklung

Für uns Eltern kann es beunruhigend sein, wenn unsere Kinder Ängste haben. Angst ist jedoch ein natürlicher Bestandteil der menschlichen Entwicklung und kann in verschiedenen Lebensphasen auftreten und dazu gehören. In diesem Artikel wollen wir einen Blick auf typische Ängste werfen, die in der Kindheit und Jugend auftreten können, und auf Möglichkeiten, wie wir Eltern unsere Kinder unterstützen können, wenn diese Ängste besonders ausgeprägt sind.

Zuerst findest du eine Übersichtstabelle mit altersspezifischen Ängsten und Ideen, wie du dein Kind unterstützen kannst. Im zweiten Teil haben wir diese genauer aufbereitet, falls du dich für eine konkrete Phase interessierst.


Lesezeit: 10 Min


Übersichtstabelle alterstypischer Ängste bei Kindern & Jugendlichen

Diese Tabelle gibt einen Überblick über typische Ängste, die in verschiedenen Entwicklungsphasen auftreten können.

Drei wichtige Punkte vorweg:

  • Jedes unserer Kinder ist individuell und kann Ängste unterschiedlich stark erleben. Wir Eltern sollten sensibel auf die Bedürfnisse und Gefühle unserer Kinder eingehen und ihnen helfen, mit ihren Ängsten umzugehen.

  • Jedes Kind entwickelt sich in seinem eigenen Tempo. Die Tabelle ist daher nur eine Übersicht und kein “in Stein gemeißelter” Entwicklungsstand mit den dazugehörigen Ängsten. Ängste können individuell und kulturell unterschiedlich sein.

  • Ängste sind “normal” und wichtig für die Entwicklung. Wenn Ängste über ein gewisses Maß hinausgehen und überhand nehmen, kannst du dich bei Kinderärzt:innen, Hebammen oder auch gerne bei uns beraten lassen.

Altersgruppe

Typische entwicklungsbedingte Ängste

Mögliche Unterstützungsmöglichkeiten für Eltern

Frühes Säuglingsalter (0-6 Monate)

  • Ängste vor Trennung (von den primären Bezugspersonen)

  • Ängste vor lauten Geräuschen

  • Ängste vor fremden Gesichtern

  • Kontinuierliche Bindung und liebevolle Interaktionen fördern

  • Beruhigung durch sanfte Stimme und Berührung

  • Vermeidung übermäßiger Reizüberflutung

Spätes Säuglingsalter (6-12 Monate)

  • Ängste vor Trennung (getrennt werden von den primären Bezugspersonen)

  • Ängste vor körperlichen Schmerzen (Impfungen, Verletzungen)

  • Angst vor dem Fremden (Angst vor fremden Personen)

  • Sicherheit und Geborgenheit durch körperliche Nähe vermitteln

  • Beruhigung durch sanfte Stimme und Berührung

  • Sensible Reaktion auf die Bedürfnisse des Kindes

Junges Kleinkindalter (1-2 Jahre)

  • Ängste vor Trennung (getrennt werden von den primären Bezugspersonen)

  • Ängste vor dem Getrenntwerden von Zuhause

  • Ängste vor dem Unbekannten (neue Orte, Situationen)

  • Beständigkeit und Routine in der Betreuung und den Trennungszeiten einführen

  • Sensible Begleitung beim Entdecken neuer Umgebungen

  • Geduldige Unterstützung beim Umgang mit Trennungsängsten

Älteres Kleinkindalter (2-3 Jahre)

  • Imaginäre Ängste (Monster, Gespenster)

  • Ängste vor der Dunkelheit

  • Ängste vor Trennung (getrennt werden von Familie, Freunden)

  • Positive Verstärkung für den Umgang mit Ängsten bieten

  • Beruhigende Rituale vor dem Schlafengehen einführen

  • Verständnis und Geduld für Ängste zeigen, auch wenn sie irrational erscheinen

Vorschulalter (3-6 Jahre)

  • Ängste vor Trennung (getrennt werden von den primären Bezugspersonen)

  • Ängste vor dem Unbekannten (neue Orte, Situationen, Tiere..)

  • Ängste vor Naturphänomenen (Gewitter, Feuer)

  • Einfache Erklärungen und Beruhigung bieten

  • Förderung von kreativen Bewältigungsstrategien (z. B. Rollenspiele)

  • Ermutigung zur Exploration und zum Umgang mit neuen Erfahrungen

Grundschulalter (6-12 Jahre)

  • Angst vor Leistungsversagen (Schule, Sport)

  • Soziale Ängste (Angst vor Ablehnung, Peinlichkeit)

  • Trennungsangst (getrennt werden von Familie, Freunden)

  • Ängste vor Unfällen und Verletzungen

  • Offene Gespräche über Ängste und Sorgen ermöglichen

  • Förderung von Selbstvertrauen und sozialen Fähigkeiten

  • Vermittlung von Bewältigungsstrategien und Problemlösungskompetenzen

Jugendliche (12-18 Jahre)

  • Angst vor der Zukunft (Beruf, Studium)

  • Soziale Ängste (Angst vor Ablehnung, Peinlichkeit, Ausgrenzung)

  • Leistungsangst (Schule, Sport)

  • Körperbildängste (Aussehen, Gewicht, Veränderungen durch Pubertät)

  • Existenzängste (Zukunft, finanzielle Sicherheit)

  • Respektieren der Privatsphäre, aber offene Kommunikation ermöglichen

  • Unterstützung bei der Entwicklung von Selbstbewusstsein und Selbstakzeptanz

  • Ermutigung zur Suche nach professioneller Hilfe bei Bedarf

Frühes Säuglingsalter (0-6 Monate)

In den ersten Lebensmonaten reagieren Babys besonders empfindlich auf die Trennung von ihren primären Bezugspersonen. Sie können auch Angst vor lauten Geräuschen und fremden Gesichtern entwickeln, z.B. wenn dein Baby untröstlich weint oder wenn es auch nur für kurze Zeit von deiner Seite entfernt wird. Es kann auch Angst vor lauten Geräuschen haben, z. B. wenn der Staubsauger plötzlich anspringt. Ein anderes Beispiel wäre, wenn dein Baby beim Anblick eines fremden Gesichts ängstlich reagiert und weint.

Als Eltern ist es wichtig, eine kontinuierliche Bindung und liebevolle Interaktionen anzubieten, um Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Beruhige dein Baby mit sanfter Stimme und zärtlichen Berührungen, um ihm die Angst vor lauten Geräuschen oder fremden Menschen zu nehmen. Vermeide Reizüberflutung durch eine ruhige und beruhigende Umgebung.

Spätes Säuglingsalter (6-12 Monate)

Im späteren Säuglingsalter können Kinder noch Trennungsängste erleben, wenn sie von ihren primären Bezugspersonen getrennt werden. Auch Ängste vor körperlichen Schmerzen, wie Impfungen oder Verletzungen, und vor fremden Personen sind manchmal vorhanden. Häufig reagieren Säuglinge ängstlich, wenn sie mit einer fremden Person konfrontiert werden und können weinen oder sich abwenden.

Als Eltern ist es wichtig, Sicherheit und Geborgenheit durch körperliche Nähe zu vermitteln. Beruhige dein Baby mit sanfter Stimme und zärtlichen Berührungen, um ihm die Angst vor Verletzungen oder Fremden zu nehmen. So zeigst du, dass du da bist und kannst durch deine Ruhe dazu beitragen, dass sich dein Baby sicher fühlt.

Junges Kleinkindalter (1-2 Jahre)

In der frühen Kindheit können Ängste vor der Trennung von den primären Bezugspersonen und vor neuen Orten und Situationen auftreten. Kinder können auch Ängste vor Unbekanntem entwickeln, z. B. vor neuen Orten oder Personen. Zum Beispiel könnte dein Kind weinen oder protestieren, wenn du es in die Krippe bringst und dich von ihm verabschieden willst. Es kann auch Ängste vor neuen Orten und Situationen entwickeln. Zum Beispiel kann es schüchtern oder zurückhaltend sein, wenn es zum ersten Mal ein neues Spielzeug oder eine neue Umgebung erkundet.

Es ist sehr wichtig, Beständigkeit und Routine in die Betreuung und die Trennungszeiten zu bringen. Begleite dein Kind bei der Erkundung neuer Umgebungen und habe Geduld mit seinen Trennungsängsten.

Älteres Kleinkindalter (2-3 Jahre)

Mit zunehmendem Alter können Kinder imaginäre Ängste entwickeln, z. B. vor Monstern oder der Dunkelheit. Sie können auch unter Trennungsängsten leiden, wenn sie von ihrer Familie oder ihren Freunden getrennt werden. Typisch ist zum Beispiel, dass Kinder nicht im Dunkeln schlafen wollen. Ein kleines Nachtlicht kann hier Abhilfe schaffen. Auch in diesem Alter kommt es vor, dass Kinder weinen oder sich anklammern, wenn sie in den Kindergarten/die Krippe gehen und die tägliche Trennung bevorsteht.

Es kann helfen, positive Verstärkung anzubieten, um mit diesen Ängsten umzugehen: Z.B. könnt ihr euch gemeinsam kleine Belohnungen überlegen, wenn es dein Kind trotz Ängsten in den Kindergarten schafft (z.B. ein Kapitel mehr vorlesen als sonst o.ä.). Auch beruhigende Rituale vor dem Schlafengehen können helfen, Ängste abzubauen. Gemeinsam das Zimmer nach Monstern absuchen oder mit einem starken Zauberspruch alle wegzaubern? Hier ist viel Verständnis und Geduld gefragt - auch wenn die Ängste irrational erscheinen.

Vorschulalter (3-6 Jahre)

Im Vorschulalter können Kinder noch unter Trennungsängsten leiden und Ängste vor neuen Orten, Tieren oder Naturphänomenen entwickeln. Manchmal haben Kinder in diesem Alter Angst vor Gewitter oder Feueralarm. Auch Ängste vor fremden Tieren sind häufig. Aber mal ganz ehrlich: Wer von uns Erwachsenen würde ein Pferd, das dreimal so groß ist wie er selbst, nicht ein wenig einschüchternd finden?

Einfache Erklärungen können viel zur Beruhigung beitragen. Auch das Vormachen (z.B. die Eltern streicheln zuerst den großen Hund) kann Mut machen, die eigenen Ängste zu überwinden. Man kann auch ein Buch über die verschiedenen Elemente vorlesen - so lernt das Kind, dass auch Krachen und Blitzen nicht allzu beängstigend sein müssen.

Grundschulalter (6-12 Jahre)

Im Grundschulalter können Versagensängste in der Schule oder im Sport sowie soziale Ängste vor Ablehnung auftreten. Kinder können weiterhin unter Trennungsängsten leiden und Angst vor Unfällen und Verletzungen haben. Zum Beispiel kann sich dein Kind Sorgen machen, dass es in Mathematik nicht gut genug ist oder dass es beim Fußball nicht gut genug ist. Es kann auch soziale Ängste haben, z.B. vor Ablehnung: Angst, von Gruppen ausgeschlossen zu werden, nicht mitspielen zu dürfen, nicht “cool” genug zu sein oder ähnliche Ängste.

Als Eltern ist es wichtig, offene Gespräche über Ängste und Sorgen zu ermöglichen. Das zeigt deinem Kind: Meine Eltern interessieren sich für mich und meine Gefühle. Da ist jemand, der mich auffängt, auch wenn es mal blöde Momente im Leben gibt. Selbstvertrauen können wir auch unabhängig von der Schule stärken: Vielleicht gibt es Gruppen wie Kinderturnen, Tanzen, Bastelgruppen oder Ballsportarten, in denen dein Kind Freude und Spaß erleben und dadurch neues Selbstvertrauen gewinnen kann?

Jugendliche (12-18 Jahre)

In der Adoleszenz können Jugendliche Zukunftsängste, soziale Ängste vor Ablehnung, Leistungsängste in der Schule oder im Sport und Körperbildängste entwickeln. Zum Beispiel kann ein Jugendlicher Angst haben, keinen Studienplatz zu bekommen oder bei einem Bewerbungsgespräch zu versagen. Auch Sorgen oder Ängste bezüglich des eigenen Aussehens treten häufig in diesem Alter auf. Die körperlichen Veränderungen, die die Pubertät mit sich bringt, können zunächst sehr verunsichern.

Gerade in der Pubertät ist es wichtig, die Privatsphäre der Jugendlichen zu respektieren und gleichzeitig eine offene Kommunikation zu ermöglichen. Themen wie Selbstbewusstsein und Akzeptanz können eine große Rolle spielen, wobei du dein Kind auch unterstützen kannst. Über welche Ressourcen verfügt dein Kind? Wie könnt ihr eure Bindung stärken und gleichzeitig immer mehr Eigenständigkeit zulassen?

Fazit: Ängste als Meilensteine der kindlichen Entwicklung

Jeder Lebensabschnitt unserer Kinder bringt eine Fülle neuer Erfahrungen und Entwicklungen mit sich. Dazu gehören auch entwicklungstypische Ängste, die zwar im ersten Moment beängstigend sein können, aber auch eine Chance darstellen. Diese Ängste sind Meilensteine auf dem Weg der persönlichen Entwicklung und ermöglichen unseren Kindern, ihre inneren Grenzen zu erforschen und zu erweitern.

Wenn unsere Kinder lernen, mit ihren Ängsten umzugehen und sie erfolgreich zu bewältigen, stärkt das nicht nur ihr Selbstvertrauen, sondern vermittelt ihnen auch wichtige Lebenskompetenzen. Sie lernen, dass es normal ist, sich unwohl zu fühlen und dass es Wege gibt, damit umzugehen. Durch die Überwindung von Ängsten entwickeln sie Resilienz und Selbstvertrauen, was ihnen im späteren Leben von unschätzbarem Wert sein wird.

Als Eltern ist es unsere Aufgabe, unsere Kinder auf diesem Weg zu begleiten und sie zu unterstützen, wenn sie mit ihren Ängsten konfrontiert werden. Durch Geborgenheit, Liebe und Verständnis geben wir ihnen den Rückhalt, den sie brauchen, um ihre Ängste zu überwinden und an ihnen zu wachsen. Gehen wir also gemeinsam mit unseren Kindern diese Entwicklungsschritte und unterstützen wir sie dabei, zu starken, sensiblen und selbstbewussten Menschen heranzuwachsen.

Solltest du oder dein Kind das Gefühl haben, dass diese Ängste ein “normales Maß” übersteigen, dann ist es immer wertvoll sich Hilfe hinzuzuziehen: Je nach Alter können Hebammen, Kinderärztinnen, Lehrer:innen, Schulpsycholog:innen oder wir von Allywell Orientierung und Unterstützung bieten.


Als psychologische Mentorinnen stehen wir dir über unsere App AllyTime auch persönlich zur Seite.


Weiter
Weiter

Ist mein Partner depressiv – was kann ich tun?