Mein Kind will nicht in die Schule: Sportunterricht

Für manche Kinder und Jugendliche ist der wöchentliche Sportunterricht oft mit Angst besetzt: Versagensängste, Scham und veraltete Pädagogik machen den Schülerinnen und Schülern zu schaffen. Dabei sollte der Schulsport ein Ausgleich zum sonst so stressigen Schulalltag sein. Und: Er soll den Grundstein legen für die Freude am Sport, die im Erwachsenenalter eine wichtige Ressource sein kann.

Auf der anderen Seite verzweifeln viele Eltern an den Wochentagen mit Schulsport: Das Kind zeigt plötzlich körperliche Symptome wie z.B: Bauchschmerzen, Übelkeit und will zu Hause bleiben. Eltern wissen manchmal nicht, wie sie sich in solchen Situationen verhalten sollen: Soll ich mein Kind zum Sport zwingen oder die nächste Entschuldigung schreiben und damit das Problem vielleicht sogar noch verschlimmern?

Was können Eltern also tun, um ihren Kindern zu helfen, wenn sie Angst vor dem Sportunterricht haben?


Lesezeit: 10 Min


Woher kommt Angst vor dem Sportunterricht in der Schule?

Es gibt nicht DIE Angst vor dem Sportunterricht. Im Gegenteil, die Bandbreite der Ängste ist relativ groß.

Da ist zum einen die Angst vor Verletzungen, denn, seien wir ehrlich, manche Sportübungen können einfach Angst machen: Der Sprung über den Kasten aus vollem Anlauf, das Rad auf dem Schwebebalken oder der Hüftumschwung am Reck.

Und dann ist da noch die Angst vor dem (sportlichen) Versagen. Sportlichkeit hat in unserer Kultur einen hohen Stellenwert - was die “Fallhöhe” noch einmal deutlich erhöht. Wenn man als einziger die Sprossenwand nicht erklimmt, ist das im Sportunterricht - anders als in anderen Fächern - für alle sichtbar. Und auch das Feedback der Umwelt ist sofort spürbar: das Lachen der Mitschüler:innen oder das Kopfschütteln der Sportlehrer:innen. Kurz: Leistungsunterschiede im Sport sind sofort sichtbar und können schnell kommentiert werden.

Auch die Angst, den eigenen Körper zu zeigen oder Schamgefühle spielen eine große Rolle. Gerade im Schwimmunterricht müssen sich die Kinder vor ihren Mitschüler:innen ganz offen zeigen. Körperteile, die man gerade nicht zeigen möchte und die man durch Kleidung verdecken konnte, werden nun für alle sichtbar. Der gesellschaftliche Schönheitsdruck und die Vergleiche der Schüler:innen untereinander verstärken dieses Gefühl noch einmal. Die Sensibilität für die Vielfalt der Körper und dafür, dass es kein “Normal” gibt, ist noch nicht überall vorhanden. Auch Sportlehrer:innen tragen (oft unbewusst) dazu bei, dass Körperlichkeit permanent im Fokus steht: Schüler:innen müssen eine Übung vormachen, während die Sportlehrer:in die “vorbildliche Gesäßspannung” kommentieren.

Und dann sind da noch der soziale Druck und die Diskriminierung im Sportunterricht. Die Angst, wieder als Letzte ins Team gewählt und wieder abgelehnt zu werden. Die Angst offensichtlich als Außenseiter:in dazustehen und nicht dazuzugehören ist tief in uns verwurzelt. Zwar sind die Sportlehrer:in inzwischen sehr darauf sensibilisiert, auf Ausgrenzung zu achten, aber es gelingt ihnen nicht immer.

Woran erkenne ich, dass mein Kind Angst vor dem Sportunterricht hat?

Vielleicht fragst du dich jetzt, wie du das als Elternteil überhaupt erkennen kannst? Schließlich wird nicht jedes Kind direkt und offen erzählen, was gerade los ist - auch wenn wir Eltern uns das natürlich wünschen. Wenn dir eines oder mehrere der folgenden Dinge an deinem Kind auffallen, lohnt es sich, mit ihm darüber zu sprechen:

  • Dein Kind könnte an den Tagen, an denen der Sportunterricht stattfindet, eine plötzliche Veränderung in seinem Verhalten oder seiner Stimmung zeigen. Es könnte zum Beispiel gereizter oder zurückgezogener sein als sonst.

  • Vielleicht fällt dir auch auf, dass dein Kind versucht, den Sportunterricht zu vermeiden: Das können wiederkehrende Beschwerden wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Muskelkater sein, die am Tag des Sportunterrichts oder z.B. immer kurz vor dem Sportunterricht in der Schule auftreten.

  • Dein Kind äußert negative Einstellungen oder Vorurteile gegenüber dem Sportunterricht, z. B. Aussagen wie "Ich mag keinen Sport" oder "Sport ist langweilig".

  • Dein Kind wird ungewöhnlich nervös oder ängstlich, wenn es an den Sportunterricht denkt oder wenn ihr darüber sprecht.

  • Dein Kind vergisst “aus Versehen” immer wieder die Sporttasche zu Hause.

  • Vielleicht sagt dein Kind auch ganz ehrlich, dass es keinen Spaß am Sportunterricht hat oder sich dort nicht wohl fühlt.

Wie kann ich meinem Kind bei Angst vor Sportunterricht helfen?

Das Wichtigste zuerst: Natürlich ist es verständlich, wenn dein Kind aus Angst den Sportunterricht meidet. Gleichzeitig ist das aber nicht das Verhalten, das bei Angst hilft. Vermeiden ist nur ein “Weglaufen vor der Angst” und macht die herausfordernde Situation nicht besser. Deshalb solltest du dein Kind auf jeden Fall ermutigen, zum Unterricht zu gehen, wenn es möglich ist. Die “Auslöser” der Angst (z. B. Ausgrenzung, sozialer Druck, Kommentare über den Körper usw.) sollten so schnell wie möglich angegangen werden.

Sprich über die Angst vor dem Sportunterricht

Sprich mit deinem Kind einfühlsam über seine Ängste und Sorgen und zeige ihm, dass du für es da bist. Lass es wissen, dass es sich dir ohne Angst vor negativen Reaktionen anvertrauen kann. Indem du ihm das Gefühl gibst, verstanden zu werden, öffnest du die Tür für eine offene Kommunikation über seine Gefühle.

Stärke das Selbstvertrauen deines Kindes

Stärke das Selbstvertrauen deines Kindes, indem du seine Stärken und positiven Eigenschaften hervorhebst. Lass es wissen, dass es Herausforderungen meistern kann und dass du stolz auf seine Fortschritte bist. Ermutige dein Kind, positive Erfahrungen mit körperlicher Aktivität zu machen, indem du ihm Spaß an Bewegung und Spiel vermittelst.

Vielleicht gibt es Möglichkeiten, außerhalb der Schule in anderen Kursen Freude an der Bewegung zu erleben? Freizeitsportvereine wie z.B. Gymnastik, Ballsportarten, Eltern-Kind-Gruppen, Tanzen etc. bieten die Möglichkeit, sich ohne Leistungsdruck an neue Bewegungen und Körperwahrnehmungen heranzutasten. Diese externen Gruppen können auch zu einem positiven Selbstwertgefühl beitragen, das dein Kind vielleicht in die Schule mitnehmen kann.

Gemeinsam könnt ihr Bewältigungsstrategien entwickeln, um mit der Angst umzugehen. Übt zusammen Entspannungstechniken wie tiefes Atmen oder progressive Muskelentspannung, um körperliche und emotionale Anspannung abzubauen. Ermutige dein Kind, positive Selbstgespräche zu führen und sich auf seine Stärken zu konzentrieren. Auch gemeinsame Bewegungsübungen, die Spaß machen, können helfen, Ängste abzubauen und das Selbstvertrauen zu stärken.

Vernetze Dich mit anderen Eltern und der Schule

Bilde auch ein Netzwerk mit anderen Eltern. Vielleicht kann dein Kind mit seinem besten Freund oder seiner besten Freundin in den Sportverein gehen. Vielleicht haben andere Eltern ähnliche Probleme wie du? Darüber offen zu sprechen, kann ganz neue Türen öffnen. Wichtig: Sprich vorher mit deinem Kind darüber, dass du dich gerne mit anderen Eltern über dieses Thema austauschen möchtest. Schließlich gibt es vielleicht auch Dinge, die deinem Kind peinlich oder unangenehm sind.

Eine weitere Möglichkeit ist, die/ den Sportlehrer:in über die Ängste deines Kindes zu informieren. Die/der Sportlehrer:in kann eine wichtige Rolle dabei spielen, ein unterstützendes und sicheres Umfeld im Sportunterricht zu schaffen. Durch eine offene Kommunikation kannst du mit dem/der Sportlehrer:in zusammenarbeiten, um mögliche Lösungen und Anpassungen zu finden, die deinem Kind helfen, sich wohler und sicherer zu fühlen. Vielleicht ist es auch möglich, dass der/die Sportlehrer:in die Klasse noch einmal in Verhaltensregeln wie Respekt, Unterstützung, keine körperlichen Äußerungen, Fairness usw. einbezieht.

Hole dir Hilfe von außen

Wenn die Ängste deines Kindes anhalten oder schwerwiegend sind, zögere nicht, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Besondere Achtsamkeit ist auch auf die “Art” der Angst geboten: Breitet sich die Angst aus, also hat dein Kind auf einmal vor der “Schule” Angst oder auch anderen sozialen Situationen, ist es besonders wichtig schnell professionelle Hilfe aufzusuchen.

Ein Kinderpsychologe oder Schulberater kann helfen, die Ursachen der Angst zu untersuchen und geeignete Lösungsansätze zu finden. Du bist nicht allein, und es gibt Unterstützung und Hilfe für dein Kind und deine Familie.


Als psychologische Mentorinnen stehen wir dir über unsere App AllyTime auch persönlich zur Seite.


Zurück
Zurück

Körperliche Symptome der Psyche: Erkenne die Signale deines Körpers

Weiter
Weiter

Der Mutmacher aus der digitalen Welt: Merts Reise mit dem "Schulstark-Programm" von AllyWell