Habt ihr mich noch lieb? – Kinder achtsam durch die Scheidung begleiten
✔ fachlich geprüft von Lea Siemann (Psychologin)
Du und dein Partner schleicht nur noch umeinander herum? Ihr schweigt euch angespannt an? Oder ihr streitet lauthals, beleidigt euch und gebt euch gegenseitig die Schuld für vieles? Dann: herzlich willkommen in einer eigentlich normalen Familie. Auch, wenn es nicht so scheint: Das passiert bei fast allen, auch bei Familien, die nach außen hin „perfekt“ wirken.
Doch was, wenn dieser Zustand zum Alltag wird? Was wenn Ihr Eltern euch nicht mehr versteht, die Liebe schwindet und die Konflikte unlösbar erscheinen? „Sollen wir wirklich nur noch wegen der Kinder zusammenbleiben?“ fragen sich da viele. Klar ist: Eine Trennung und Scheidung ist für Kinder in jedem Alter eine Herausforderung.
Wenn keine Beratung, keine Paartherapie mehr nutzt und beide Elternteile die Liebe zueinander verlieren oder die Beziehung gar toxisch wird, dann ist es an der Zeit sich besser zu trennen, das kann in vielen Fällen die Scheidung bedeuten.
In diesem Beitrag geben wir konkrete Ratschläge und psychologische Tipps, wie Eltern ihre Kinder durch die Scheidung führen können, um deren emotionales Wohlbefinden zu schützen und zu fördern.
Lesezeit: 9 Min
Inhalt
Respektvoll Trennen statt respektlos zusammenbleiben
Kinder haben feine Antennen. Sie spüren intuitiv, wenn Mama und Papa unzufrieden, unglücklich oder sogar hoffnungslos sind. Eltern sind Vorbilder für ihre Kinder. Das, was sie vorleben, wird zur Lebensrealität ihrer Kinder. Wer also nur der Kinder wegen ein Paar bleibt, legt damit einen Grundstein für die Beziehungsmuster der Kinder. So können Schemata über Generationen weitergegeben werden.
Das könnte zum Beispiel bedeutet, dass dein Kind später einmal in einer unglücklichen Beziehung bleibt, weil es das so gelernt hat. Wenn ihr euch respektvoll trennt, darf euer Kind lernen, dass Krisen bewältigt werden können, dass Selbstliebe einen hohen Stellenwert hat und dass Liebe, die sich verändert, nicht automatisch aufhört.
Gleichzeitig ist eine Trennung oder Scheidung ein komplexer und emotionaler Prozess für die ganze Familie vor dem alle Familien Angst haben. Durch Verständnis, Geduld und Unterstützung können Eltern und Beteiligte Kindern helfen, diesen Übergang besser zu bewältigen und ihre emotionale Gesundheit zu schützen.
Wie trennt man sich respektvoll?
Egal, wie behutsam Du oder Ihr vorgeht: Die Wellen einer Scheidung überrollen den Familienalltag, der ja trotzdem irgendwie weitergehen muss. Eine Trennung bedeutet für alle beteiligten: Veränderung, Unsicherheit und Neuanfang. Gefühle, die für dein Kind herausfordernd und beängstigend sein können. Denn Eltern sind der sichere Hafen der Kinder, ihre Anker und ihr Nährboden, auf dem sie wachsen und emotionale Stabilität entfalten können.
Scheidung – was kann ich meinem Kind sagen?
Einer der wichtigsten Aspekte, um Kinder so behutsam wie möglich durch eine Scheidung zu begleiten, ist offene und ehrliche Kommunikation. Kinder haben ein feines Gespür für Veränderungen in ihrer Umgebung und ihren wichtigsten Bezugspersonen.
Wenn ihr klar und ehrlich über die Situation sprecht, angepasst an das jeweilige Alter und die Reife des Kindes, kann das Ängste und Unsicherheiten auffangen. Was also dem Kind sagen?
Hier drei Tipps:
Verwende einfache und klare Worte, um die Situation zu erklären. Versuche dich in Dein Kind hineinzudenken. Lass deine Gefühle und Wut und Enttäuschung bei dir. Hier ist kein Platz für die Gefühle, die ihr Erwachsenen zueinander habt.
Sagt eurem Kind, dass die Liebe zwischen euch Eltern sich verändert hat. Dass das aber zwischen euch und eurem Kind niemals passieren kann. Dass das ausgeschlossen ist.
Macht eurem Kind klar, dass es keinerlei Verantwortung für die Trennung hat.
Scheidung: Wir verhalten sich Eltern richtig?
Der erste Schritt ist getan – es ist raus. Nun gilt es die Trennung und vielleicht sogar die räumliche Trennung und die Zeit bis dahin so friedlich zu gestalten, wie möglich.
Dazu einige Tipps:
Feindselige Auseinandersetzungen oder negative Gespräche über den Ex-Partner vor dem Kind sind absolut tabu.
Zieht euch zurück oder wartet bis die Kinder schlafen oder in der Fremdbetreuung sind, wenn ihr Konflikte habt, die es zu besprechen gilt.
Schafft eine sichere Umgebung. Integriert eure Familie, eure Freunde oder Eltern von Freunden euerer Kinder.
Sorgt dafür, dass eure Kinder ihre Gedanken und Gefühle mit so vielen Vertrauten teilen können, wie möglich.
Involviert die begleitenden Personen wie Klassenlehrer:innen, Erzieher:innen und Sport-Trainer:innen. Es ist gut, wenn alle Bescheid wissen, sodass Auffälligkeiten im Verhalten eures Kindes bestmöglich erkannt werden können.
Versucht die gewohnte Struktur und Routine aufrecht zu erhalten. Versucht den Alltag so zu gestalten wie immer.
Die Abwicklung eurer Trennung sollte so getrennt vom Alltag ablaufen wie möglich.
Wie unterstütze ich mein Kind während der Scheidung?
Scheidungen und Trennungen finden nicht nur im Außen statt, sondern auch im Inneren. Denn eine Trennung ist ein emotionaler Prozess, der bei dir und deinem Partner passiert, aber eben auch bei eurem Kind oder euren Kindern.
Kinder verarbeiten diese Gefühle anders als ihr. Denn es sind nicht sie, die sich trennen wollen. Sie verstehen die Komplexität der Scheidung nicht.
Wichtig ist hier:
Respektiert die Gefühle eurer Kinder. Denn jedes Kind verarbeitet die Scheidung oder die Trennung anders. Versucht den Gefühlen einen Raum zu geben.
Auch wenn ihr euch als Paar trennt, ihr bleibt gemeinsam Eltern. Kinder brauchen die Gewissheit, dass sie euch beide behalten dürfen.
Holt euch professionelle Begleitung für die Veränderungsphase.
Trennung und Scheidung: Wie reagieren Kinder?
Kinder reagieren unterschiedlich auf die Scheidung oder Trennung ihrer Eltern. Dabei spielen Faktoren wie der Umgang der Eltern mit der Trennung, das Alter, die jeweilige Persönlichkeit, und das Umfeld wie Freunde, Lehrer und Familie eine große Rolle. Wie reagieren Kinder auf die Scheidung?
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Mit Traurigkeit: Kinder können traurig oder depressiv wirken, oft mit Anzeichen von Rückzug oder Passivität.
Mit Angst und Unsicherheit: Sie können mehr Ängste oder Sorgen über die Zukunft oder die Sicherheit eurer Familie entwickeln.
Mit Wut, Gewalt und Aggression: Kinder können ihre Gefühle von Hilflosigkeit und Kontrollverlust durch Wutausbrüche oder Aggression ausdrücken.
Mit Schuldgefühlen: Kinder erleben oft Loyalitätskonflikte und fühlen sich schuldig. Oft befürchten sie, ein Elternteil zu verletzten oder zu enttäuschen.
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Rückzug: Sie können sich zurückziehen. Also weniger mit Freunden spielen oder Körperkontakt meiden.
Schwierigkeiten in der Schule: Dein Kind kann Schulangst entwickeln. Oder es kann anfangen sich in der Schule auffällig zu verhalten.
Schlafstörungen: Schlafprobleme, Alpträume oder Schlaflosigkeit können auftreten.
verändertes Spielverhalten: Kinder verarbeiten im Spiel, was sie erleben. So kann es sein, dass sie Spiele entwickeln, in denen sie die Trennungssituation nachspielen oder mit ihr verbundene Emotionen ausdrücken.
Eltern-Kind-Beziehung: Oft reagieren Kinder mit gesteigerter Anhänglichkeit oder auch mit Zurückweisung.
Vermittlerrolle: Kinder suchen genau wie Erwachsene nach Lösungen und fühlen sich verantwortlich, alles wieder in Ordnung zu bringen.
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Appetitlosigkeit oder Überessen: Veränderungen im Essverhalten, einschließlich Appetitverlust oder -zunahme.
Somatische Beschwerden: Vielleicht bekommt dein Kind Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen ohne erkennbare medizinische Ursache.
Wie geht dein Kind mit der Scheidung um?
Je nach Alter und Temperament reagieren Kinder ganz unterschiedlich auf Trennung und Scheidung. Auch bisher gemachte Erfahrungen und familiäre Strukturen beeinflussen, wie Kinder mit den neuen Gegebenheiten umgehen.
Worauf kannst du achten?
Rückschritt: Jüngere Kinder können regressives Verhalten zeigen, wie Daumenlutschen oder Bettnässen.
Klammern: Ein erhöhtes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Zuneigung, übermäßiges Klammern an einen oder wechselnde Elternteil.
Anpassung: Einige Kinder können sich schnell anpassen und Bewältigungsmechanismen entwickeln, abhängig von der Unterstützung der Eltern und anderen Faktoren.
Überschnelle Reife: Ältere Kinder können vorzeitig reifen, indem sie mehr Verantwortung übernehmen, als es ihnen guttut.
Schweigen: Schwierigkeiten, über ihre Gefühle zu sprechen, oder völliges Schweigen über die Scheidung.
Schuldgefühle: Manche Kinder neigen dazu, sich selbst die Schuld für die Trennung zu geben.
So hilfst Du deinem Kind bei der Scheidung
Unterstütze dein Kind, damit es auf seine Stärken und Ressourcen zurückgreifen kann. So hilfst du deinem Kind, sich zu regulieren und weniger überfordert zu sein.
Dies kannst du tun:
Unterstützung anbieten: Führe regelmäßig Gespräche. Gib deinem Kind den Raum frei über Gefühle zu sprechen. Führt vielleicht ein Ritual ein, einen Krisenstab und setzt euch abends und morgens kurz zusammen. Das hilft Kindern bei der Bewältigung von Gefühlen.
Gefühlstagebuch: Bietet euren Kindern ein Gefühlstagebuch an. Hier können Sie täglich ihre Gefühle aufschreiben und vielleicht sogar mit euch besprechen.
Struktur und Routine aufrechterhalten: Eine konstante Routine beibehalten, um Sicherheit und Stabilität zu bieten.
Holt euch professionelle therapeutische Unterstützung.
Fazit
Die Begleitung eines Kindes durch Trennung oder Scheidung erfordert Empathie, Aufmerksamkeit, Geduld und Verständnis. Unsere Tipps sollen euch aufzeigen, woran ihr erkennen könnt, wann eure Kinder Hilfe benötigen. Und sie sollen euch Mut machen offen zu kommunizieren. Mit euren Kindern aber auch miteinander. Ihr dürft Strategien erlernen, die Scheidung oder die Trennung sowohl für euch als auch für eure Kinder so behutsam und unterstützend wie möglich zu gestalten.
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