Homeschooling bei Schulangst: Eine gute Idee?

Die meisten Eltern legen großen Wert auf die Bildung ihrer Kinder und sind bestrebt, ihnen die bestmöglichen Voraussetzungen zu bieten. Während der Corona-Pandemie wurden viele Familien gezwungenermaßen mit Homeschooling konfrontiert, was das Thema unerwartet in den Mittelpunkt rückte. Diese Erfahrungen und andere Beweggründe haben dazu geführt, dass nun mehr Eltern aktiv nach Informationen und Möglichkeiten für Hausunterricht suchen.

Neben den Erfahrungen aus der Pandemie ist der alltägliche Schulstresses und die damit verbundenen Sorgen um das Wohl ihrer Kinder für viele Eltern ein Motor, über Homeschooling als mögliche Alternative nachzudenken. Diese Überlegungen werden häufig von der Angst angetrieben, dass der Schulbesuch negative Auswirkungen auf das psychische Gleichgewicht ihrer Kinder haben könnte. Zu den angstauslösenden Faktoren zählen unter anderem Mobbing, Leistungsdruck, soziale Isolation oder schlechte Erfahrungen mit Lehrkräften.


Lesezeit: 10 Min


Ist Homeschooling bei Schulangst eine gute Idee?

Die kurze und eindeutige Antwort laute: Nein, Homeschooling ist bei Schulangst keine gute Idee.

Hausunterricht stellte Eltern vor zu hohe Herausforderungen

In Deutschland ist das Unterrichten zu Hause grundsätzlich nicht erlaubt. Im Gegensatz dazu ist in Österreich Homeschooling unter bestimmten Bedingungen erlaubt, was es Familien ermöglicht, individuellere Bildungslösungen zu wählen. Dennoch zeigen Erfahrungsberichte und Expertenmeinungen, dass auch in einem rechtlich flexibleren System die Herausforderungen von Homeschooling, wie der Mangel an sozialen Interaktionen und die Schwierigkeit, qualitativ hochwertigen Unterricht zu Hause zu gewährleisten, bestehen bleiben.

Zudem stellt Homeschooling eine erhebliche Verantwortung für die Eltern dar, die als Lehrer fungieren müssen, ohne notwendigerweise über pädagogische Erfahrung oder die Zeit zu verfügen, die für eine umfassende Bildung notwendig ist. Dies kann zu Wissenslücken führen, zum Beispiel, wenn bestimmte Fächer vernachlässigt werden Darüber hinaus kann das Fehlen einer strukturierten sozialen Umgebung, wie sie in Schulen gegeben ist, die Entwicklung sozialer Fähigkeiten und Freundschaften unter Gleichaltrigen beeinträchtigen, was für das soziale Lernen und die emotionale Entwicklung des Kindes entscheidend ist​.

Homeschooling ist keine wirksame Maßnahme gegen Schulangst

Das Fernbleiben von der Schule, etwa als Reaktion auf Schulangst, wirkt auf den ersten Blick wie eine Entlastung für die betroffenen Kinder. Diese kurzfristige Erleichterung birgt jedoch langfristige, erhebliche Risiken, die oft zu einer Verschärfung der Angstproblematik führen können. Der Hauptgrund hierfür ist, dass Kinder durch das Fernbleiben von der Schule wichtige Gelegenheiten verpassen, sich mit Herausforderungen auseinanderzusetzen und soziale Kompetenzen zu entwickeln.

In einem Schulalltag werden Kinder täglich mit verschiedenen Situationen konfrontiert, die sie dazu herausfordern, Probleme zu lösen, mit Gleichaltrigen zu interagieren und Konflikte zu bewältigen. Diese Erfahrungen sind entscheidend für die Entwicklung von Resilienz und sozialen Fähigkeiten. Durch Homeschooling und das vollständige Fernbleiben von der Schule entfallen viele dieser interaktiven Lernmomente, was zu einer eingeschränkten sozialen Entwicklung führen kann.

Darüber hinaus können Kinder, die aufgrund von Angst der Schule fernbleiben, eine Art Vermeidungsverhalten entwickeln, das die Angst vor ähnlichen Situationen in anderen Lebensbereichen verstärken kann. Anstatt sich ihren Ängsten zu stellen und Bewältigungsstrategien zu erlernen, verstärkt das Vermeiden der angstauslösenden Situation (in diesem Fall die Schule) langfristig die Angst.

Zum Thema Schulangst möchten wir an dieser Stelle auch auf unseren Artikel verweisen: Mein Kind will nicht in die Schule - Tipps & Übungen — AllyWell

Selbstreflexion für Eltern und alternative Strategien

Es ist wichtig, dass Eltern ihre eigenen Ängste und Erwartungen reflektieren. Manchmal projizieren Eltern ihre eigenen Sorgen und Unsicherheiten auf ihre Kinder, was die Situation zusätzlich belasten kann. Eine offene Auseinandersetzung mit eigenen Ängsten kann helfen, eine unterstützende Umgebung für das Kind zu schaffen.

Selbstbestimmung falsch verstanden

Der Wunsch, das Kind in seiner Selbstbestimmung zu unterstützen, ist ein zentraler Wert vieler Eltern. Dieser Ansatz kann jedoch komplex werden, wenn es um die Entscheidung geht, ob ein Kind die Schule besuchen soll oder nicht. Manche Eltern interpretieren die Wünsche ihres Kindes, nicht zur Schule gehen zu wollen, als Ausdruck von Selbstbestimmung. Diese Sichtweise kann jedoch problematisch sein, da sie oft nicht zwischen vorübergehenden Launen oder tiefer liegenden Problemen wie Schulangst unterscheidet.

In solchen Fällen ist es wichtig, dass Eltern eine klare und unterstützende Rolle einnehmen. Sie müssen Vertrauen vermitteln und dem Kind zeigen, dass es die Herausforderungen in der Schule meistern kann. Dies bedeutet nicht, die Ängste des Kindes zu ignorieren, sondern aktiv daran zu arbeiten, diese zu überwinden und das Kind in seiner Fähigkeit zu stärken, sich Herausforderungen zu stellen.

Vertrauen in das Schulsystem

Die Rolle der Eltern in der Bildung ihrer Kinder ist essenziell, doch es ist ebenso wichtig, dass sie den Schulen vertrauen und ihre Kinder ermutigen, Herausforderungen anzunehmen. Staatliche Schulen sind keine minderwertigen Bildungseinrichtungen; sie bieten vielfältige Möglichkeiten für persönliches und akademisches Wachstum. Anstatt sich von der Unsicherheit leiten zu lassen und alternative Bildungswege zu suchen, sollten Eltern das Potenzial öffentlicher Schulen erkennen und nutzen.

Besonders bedenklich ist das Verhalten von sogenannten „Helikopter-Eltern“, die dazu neigen, jeden Aspekt des Lebens ihrer Kinder zu kontrollieren. Dies kann die Entwicklung von Selbstständigkeit und Resilienz bei Kindern erheblich beeinträchtigen. Es ist wichtig, dass Eltern lernen loszulassen und ihre Kinder eigene Erfahrungen sammeln lassen, auch wenn diese herausfordernd sein können. Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer Kinder und die unterstützende Rolle der Schulen ist entscheidend, um junge Menschen zu selbstbewussten und selbstständigen Individuen heranzuziehen.

Die Alternative: Die Ressourcen stärken

Statt Homeschooling zu erwägen, können Eltern ihrem Kind also helfen, indem sie Vertrauen in dessen Fähigkeiten stärken und gleichzeitig das Vertrauen in das Schulsystem fördern. Wichtig ist, das Kind zu ermutigen, Herausforderungen anzunehmen und sich seinen Ängsten zu stellen. Dies stärkt die Resilienz und fördert eine gesunde psychische Entwicklung. Außerdem kann es sinnvoll sein, Unterstützungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen, wie etwa psychologische Beratung, spezielle Förderprogramme oder die Zusammenarbeit mit Lehrkräften.

Wir von AllyWell glauben daran, dass alle Kinder bereits die Ressourcen in sich tragen, um die Herausforderungen, die Schule mit sich bringt, zu bewältigen. Um sie dabei zu unterstützen, haben wir ein Programm gegen Schulangst entwickelt, das das kindliche Selbstvertrauen stärkt und zudem eine Menge Spaß macht.

Fazit

Obwohl die Entscheidung für Homeschooling aus einer intuitiven Sorge heraus verständlich ist, zeigt die Auseinandersetzung mit den Fakten, dass es oft nicht die beste Lösung für Schulangst ist. Eltern sollten stattdessen alternative Wege suchen, um ihr Kind zu stärken und es auf die Herausforderungen des schulischen Alltags vorzubereiten. Dies kann durch die Entwicklung von Strategien im Umgang mit Ängsten auf sowohl der Seite der Kinder als auch der Eltern und durch die Einbindung professioneller Beratung erfolgen . Durch solche Maßnahmen können Kinder lernen, ihre Ängste zu bewältigen und sich den täglichen Herausforderungen in der Schule zu stellen. Dies fördert nicht nur ihre akademische, sondern auch ihre soziale und emotionale Entwicklung. Eltern können dadurch ein unterstützendes Netzwerk schaffen, das das Kind ermutigt und befähigt, Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten zu haben und aktiv am Schulgeschehen teilzunehmen.


Als psychologische Mentorinnen stehen wir dir über unsere App AllyTime auch persönlich zur Seite.


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